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Apps für RollstuhlfahrerEin großer Barrieresprung

Nur wenige Orte verdienen die Bezeichnung "barrierefrei". Eine App kennzeichnet für Rollstuhlfahrer Plätze mit Stufen, Bahnstationen mit Aufzug – und das nächste Klo.

Nein, dies Klo ist nicht rollstuhlgerecht Bild: yemaija /photocase

BERLIN taz | Zehn Zentimeter ist die Stufe des Starbucks am Hackeschen Markt hoch. Da hat Andrea Ertle mit ihrem Rollstuhl keine Chance. Für sie sind fünf Zentimeter schon nicht zu schaffen. Damit sich Menschen mit einer Behinderung gar nicht erst dieser oder ähnlich unangenehmen Situationen aussetzen müssen, hat der Verein Sozialhelden e. V. 2010 das Projekt wheelmap.org ins Leben gerufen – eine virtuelle Karte für rollstuhlgerechte Orte.

Das Prinzip ist simpel: Jeder kann Orte markieren und durch ein Ampelsystem auf ihre Rollstuhltauglichkeit bewerten. Grün bedeutet, ein Ort ist rollstuhlgerecht, rot markierte sind es nicht. Wurde eine Einrichtung gelb gekennzeichnet, erfüllt sie die Kriterien nur teilweise. Die Idee zu diesem Projekt hatte Raul Krauthausen mit seinem Freund Holger Dieterich. Raul selber sitzt von Geburt an im Rollstuhl.

Wegen der hohen Stufe am Eingang von Starbucks käme Andrea Ertle gar nicht erst der Gedanke, bei Starbucks Kaffee trinken zu gehen. Öffnet sie jedoch wheelmap.org und klickt für eine Bewertung und nähere Informationen auf das Café, erfährt sie, dass es einen rollstuhlgerechten Hintereingang gibt.

Das Projekt soll vor allem Rollstuhlfahrern helfen, aber auch denen, die einen Rollator benötigen, oder Eltern, die mit einem Kinderwagen unterwegs sind.

Kaum barrierefreie Orte

Bild: taz

Dieser Text ist entstanden in der taz.akademie im Rahmen des 1. taz Panter Workshops Online "Internet Hauptstadt Berlin" für angehende Journalisten.

Barrierefrei im Sinne des Behindertengleichstellungsgesetzes sind die in wheelmap.org gekennzeichneten Orte nicht. Denn für diese gelten nochmal besondere Kriterien. Orte dürfen sich nur dann barrierefrei nennen, wenn sie für Menschen mit Behinderung ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind. Also auch für Menschen, die in ihrem Seh- oder Hörvermögen sowie ihrer geistigen Entwicklung beeinträchtigt sind.

"Wir konzentrieren uns deswegen nur darauf, rollstuhlgerechte Orte zu kennzeichnen", sagt Andi Weiland, der bei den Sozialhelden in der Öffentlichkeitsarbeit tätig ist. Denn Orte, die alle Kriterien erfüllen, um als barrierefrei anerkannt zu werden, sind selten.

Einen weiteren Beitrag leistet die Deutsche-Gebärdensprache-Reiseführer-App "Mit DGS durch Berlin". Verschiedene Berliner Sehenswürdigkeiten werden hier kurz mit einem Video in Deutscher Gebärdensprache erklärt und allgemeine Tipps für Gehörlose gegeben. Das Projekt wird von "Kopf, Hand + Fuss gemeinnützige Gesellschaft für Bildung mbH" geleitet und soll nun bald auf dem Markt erscheinen.

Andrea Ertle lebt und arbeitet in Berlin. Die Stadt ist also kein Neuland für sie. Deswegen hat sie von wheelmap.org noch nicht so häufig Gebrauch gemacht. Doch das soll sich jetzt ändern. Nicht nur, weil sie seit kurzem ein Smartphone besitzt, sondern auch, weil die App Auskunft über etwas sehr Wichtiges gibt – die nächste für sie nutzbare Toilette. Denn spätestens drei Stunden nach ihrem Kaffee muss sie die auch mal benutzen. Und zwar alleine.

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3 Kommentare

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  • M
    Mike

    Es gibt auch noch eine andere App für Menschen mit Behinderung: http://www.myhandicap.de/app-mobil-barrierefreie-adressen.html

    Die MyHandicap App von der gemeinnützige Organisation MyHandicap.

  • PH
    Patrick H.

    Als jemand, der schon lange im OpenStreetMap-Projekt, auf dessen Daten die Wheelmap aufbaut, aktiv ist, kann ich nur sagen: hoffentlich schaffen es die Sozialhelden bald, die vielen als Gebäude, bzw. in der Datenbank als Flächen eingetragenen Points of Interest ebenso zu unterstützen, wie die ganzen Punkt-förmigen Daten.

     

    Denn häufig sind gerade die großen, bekannteren und wichtigeren Örtlichkeiten in der Wheelmap aus diesem Grund noch nicht verfügbar. Hoffe aber, dass das Problem bald Geschichte ist und dass sich dadurch vielen Menschen mehr die Chancen von freien Daten, ihrer Bedeutung für die Gesellschaft und ihr Potential für soziale Projekte begreifen und davon profitieren können.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Barrierefrei bleibt ein Wunsch

    Menschen mit einem Handicap möchten am Leben teilhaben,wie jeder andere Mensch auch.Barrieren ,nicht nur bauliche ,sondern auch in den Köpfen macht dies oft nicht möglich.Stigmatisierung und Diskriminierung bestimmen den Alltag von gehandicapten Menschen in der Bundesrepublik-Deutschland.Rollstuhlfahrer,Blinde haben das Nachsehen.

    Oft hat man den Eindruck,man baut künstliche Barrierenauf,um Menschen mit einem Handicap fern zu halten,im Bezug auf die Ästhetik.

    Bauliche Barrieren kann man ,wenn man es möchte beseitigen.Die Barrieren die in den Köpfen von Nichtbehinderten vorhanden sind,nicht.

    Eltern von gehandicapten Kindern müssen nach wie vor kämpfen,dass ihre gehandicapte Kinder in das sogenannte "Regelschulsystem" aufgenommen werden.

    Auf em ersten Arbeitsmarkt haben sie keine Chance,weil es bei den Arbeitgeern,private,so wie öffentliche zu denen auch die Kirchen zählen ,

    gibt.

    Eine Mitarbeiterin des Jobcenters Friedrichshain-Kreuzberg Dreistark verweigert einen gehandicapten Arbeitnehmer Arbeit.Bewerbungskosten und die anstehenden Kosten im Bezug auf eine Vorladung werden nicht erstattet.Apartheid wird hier sichtbar,

    Mitarbeiter-hier Nichtbehinderte Mitarbeiter werden zum Richter,selektieren.

    Fördermaßnahmen werden nicht angeboten.

    Absitzen,aussitzen ,rumsitzen wie die Mitarbeiterin des Jobcenters Friedrichshain-Kreuzberg Dreistark sind kein Einzelfall,was die Agenturen für Arbeit

    und Jobcenter betrifft.

    Die Geschäftsführung des Jobcenters Friedrichshain-Kreuzberg siniert und vegetiert vor sich hin.Hier sei das "Auslaufmodell der Nation" Henke genannt .

    Er maßte sich an,einen gehandicapten Arbeitnehmer nur für Wert zu befinden,was die 1 Euro Jobs anbetrifft.Mehrfach wurde an ihn herangetreten,was ein gehandicapter erwerbsloser Arbeitnehmer betrifft,was Verhaltenskodexe betrifft.Bis auf dem heutigen Tag sind die Missstände nicht behoben.

    Ebenfalls ist die vom Standort Deutschland am 26. März 2009 ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention im Jobcenter Friedrichshain-Kreuzberg nicht umgesetzt.Man kann sich des Eindrucks nicht verwehren,dass die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jobcenter Friedrichshain-Kreuzberg nicht erwünscht ist.

    Auch in den Kirchen ist die UN-Behindertenrechtskonvention nicht umgesetzt. Menschen mit einer Behinderung spielen in den Kirche eine unter geordnete Rolle,in allen Bereichen.

    Solange es Barrieren in den Köpfen von nicht gehandicapten Menschen gibt,was gehandicapte Menschen betrifft,wird die Barrierefreiheit eine Illussion,einTraum bleiben,Im Bezug : I" have a Dream ."