Apple-Tablet lässt Printmedien hoffen: Zeitung auf Anabolika
So groß wie ein DIN A 4 Block, bedienbar wie ein SmartPhone, der Apple-Tablet-Computer ist der Traum technikbegeisterter Nerds - und könnte Zeitungen retten.
Vertreter der Print-Medien brechen gewöhnlich nicht gerade in Euphorie aus, wenn ihnen die Computerindustrie ihr ohnehin bedrohtes Terrain mit neuen Technologien noch weiter streitig macht. Bei dem Tablet, den Apple-Chef Steve Jobs nach langem Anlauf und vielem Rumoren in der Branche am Mittwoch in San Francisco nun wohl endlich vorstellen wird, ist das jedoch anders. „Ich habe mich nicht mehr so sehr auf etwas gefreut, seit ich acht Jahre alt war und auf dem Rücken von Comics die Werbung für diese winzigen Seepferdchen gesehen habe“, schrieb etwa David Carr, der Medienkolumnist der New York Times.
Die kindliche Vorfreude von Carr stützt sich auf das Versprechen von Apple, dass das Gerät die traditionellen Printmedien zwar einerseits ersetzen, sie paradoxerweise aber auch retten soll. Das Format des ultraleichten Touchscreen-Laptops, das die Formate von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern replizieren kann, soll es Institutionen wie der New York Times ermöglichen, für ihre Produkte wieder Geld zu verlangen. „Das Zeitalter der kostenlosen Inhalte ist vorbei“, frohlockte deshalb schon im Dezember das Apple-Portal Macworld.
Auf dem Tablet, einer Art Zwitter zwischen iphone und Laptop, so wird erwartet, soll der Konsument das gleiche Leseerlebnis haben, wie wenn er eine wirkliche Zeitung oder Zeitschrift in der Hand hat –nur besser. Zusätzlich zu dem aufwändig gestalteten Ganzseiten-Layout, das man von der Papierversion publizistischer Produkte kennt, kann der Benutzer auf dem Tablet Videos, Hyperlinks und verwandte Audiobeiträge anklicken: „Eine Zeitung auf Anabolika“, schwärmt Carr.
Für diese Art der Darstellung, so die Hoffnung der darbenden Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, wird der Leser im Gegensatz zur derzeitigen Computerbildschirm-Präsentation dann auch wieder bereit sein, Geld zu bezahlen. Und nicht nur das - auch das Anzeigengeschäft soll durch den Tablet wieder rentabel werden. Durch die verbesserte Anmutung wird es möglich, den Werbekunden mehr Geld abverlangen, als für die unrentablen Pop-Ups, die bislang die Webseiten zieren. „Eine Jesus Tafel“, die das bedrohte Printwesen von seinem gegenwärtigen Fluch erlöst, nennt Carr deshalb das Tablet.
Vermutlich folgt Carr mit dieser Einschätzung allerdings weniger seinem journalistischen Urteil als der offiziellen Linie seiner Firma. Der Entscheidung der Times in der vergangenen Woche, für ihre Artikel im Netz demnächst wieder Geld zu verlangen, so wird gemunkelt, war eine Vorabsprache mit Apple für den Vertrieb der Times auf dem Tablet voran gegangen. Times Verleger Sulzberger antwortet bislang auf entsprechende Anfragen ausweichend, während Apple Chef Jobs die Times immer wieder in höchsten Tönen als beste Zeitung der Welt lobt. Die Anzeichen sprechen also dafür, dass die Gerüchte stimmen.
Ähnliche Avancen wie der Times soll Apple wichtigen Zeitschriftenverlagen, sowie Vertretern der Buchbranche gemacht haben. Dabei soll Apple den Verlagen zusätzlich zur besseren Darstellung deutlich günstigere Vertriebs-Konditionen angeboten haben, als bislang Amazon mit seinem e-book-reader Kindle. Die Buchverlage Hachette, Simon and Schuster, Macmillam und HarperCollins haben daraufhin bereits die digitale Publikation zahlreicher Titel auf das Frühjahr verschoben. Es scheint so, als stelle man sich im Reich der Druckerzeugnisse auf die Apple-Revolution ein.
Aber wird sie auch kommen? Nicht jeder ist da so zuversichtlich wie David Carr. So widerspricht etwa Jack Shafer auf dem Nachrichtenportal Slate vehement Carrs Prognose, dass das Tablet „die Liebesaffäre des Druckerzeugnisses mit dem Konsumenten“ erneuern kann. Die Erfahrung, so Shafer, habe bislang stets gezeigt, dass die Übersetzung eines Mediums in ein anderes nicht ohne Reibungsverlust von statten gehe. Schafer erinnert an eine CD-Rom Version des Nachrichtenmagazins Newsweek im Jahr 1992 und an die vergeblichen Versuche der Times, einen Fernsehkanal zu starten. „Nachrichten Online zu konsumieren“, sagt Shafer, „bedeutet zu surfen. Die Leute wollen dafür ein einfaches Surfbrett haben und keinen Taucheranzug.“
Michael Wolff vom Medien-Portal Newser ist noch pessimistischer als Shafer. Selbst wenn der traditionelle Content in neuer Form vom Verbraucher angenommen würde - woran er nicht glaubt - werde dies die Printmedien nicht retten. Eher werde es sie endgültig vernichten. Apple – das habe man bei der Musik gesehen – suche vor allem billige Inhalt, um ihre Geräte zu füllen. Mitnichten wolle Steve Jobs das Buchwesen oder den Journalismus retten. Das Ziel des Konzerns sei es vielmehr, die Kontrolle über Preis, Vertrieb und letztlich auch Form dieser Inhalte zu gewinnen. Der Tablet, so Wolff, werde, wenn die Rechnung von Apple aufgeht, die alten Hersteller von Printinhalten nicht am Leben erhalten, sondern überrollen. Häuser wie die Times, so sein Fazit, sollten sich lieber in acht nehmen, wenn sie sich mit Steve Jobs an einen Tisch setzen. Gleich, wie hart die Zeiten sind.
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