Anzeigen gegen Wikileaks-Gründer: Ein Ausweg für Julian Assange

Drei der vier Straftaten, die Schwedens Justiz Assange vorwirft, verjähren jetzt. Damit könnte das Ende seiner Botschaftsflucht näherrücken.

Julian Assange steht in einer offenen Tür

Darf vielleicht bald wieder raus: Julian Assange. (Archivbild) Foto: dpa

STOCKHOLM taz | Der Vorwurf zu blockieren, Unwahrheiten zu verbreiten, rechtlich nicht erfüllbare Vorbedingungen aufzustellen, missverständlich und widersprüchlich zu agieren: Seit Wochen schon wogt nun ein diplomatischer Disput zwischen Schweden und Ecuador. Es geht um Julian Assange, der seit drei Jahren in der Vertretung Ecuadors in London als „Botschaftsflüchtling“ lebt. Und um die Frage, wer warum ein Verhör mit dem Wikileaks-Gründer durch die schwedische Staatsanwaltschaft erschwert oder torpediert.

Mit diesem Verhör soll die drohende Verjährung von drei der vier Tatvorwürfe verhindert werden, die Assange von der schwedischen Justiz gemacht werden. Die „Högsta Domstolen“, der oberste Gerichtshof Schwedens, hatte Ende Mai zwar einen Antrag auf Aufhebung des seit nunmehr 5 Jahren bestehenden Haftbefehls gegen Assange abgelehnt. Zugleich rüffelte das Gericht aber die zuständige Oberstaatsanwältin Marianne Ny wegen Untätigkeit. Diese müsse endlich „alternative Ermittlungsmaßnahmen“ erwägen, um das stillstehende Verfahren weiterzutreiben.

Ny war es gewesen, die im August 2010 den Haftbefehl gegen Assange erlassen hatte, der damals im Rahmen einer Vortragsreise nach Schweden gekommen war. Sein Aufenthalt nahm eine dramatische Wende, als die Pressemitarbeiterin der Organisation, die ihn eingeladen hatte und bei der er privat untergekommen war, sowie eine andere Frau, die er während seines Besuchs kennengelernt hatte, zur Polizei gingen und dort Aussagen machten, welche die Staatsanwaltschaft veranlasste, ein Verfahren gegen Assange wegen Verdachts der Nötigung, der sexuellen Belästigung in zwei Fällen und der Vergewaltigung einzuleiten.

Vor einem Verhör verließ Assange Schweden. Aufgrund eines europäischen Haftbefehls wurde er im Dezember 2010 in London festgenommen. Sein Versuch, sich vor britischen Gerichten gegen eine Auslieferung nach Schweden zu wehren, scheiterte letztinstanzlich im Juni 2012 vor dem „Supreme Court“. Gegen Kaution auf freiem Fuß, flüchtete Assange in die Botschaft Ecuadors in London. Im August 2012 erhielt er dort politisches Asyl. Seitdem ist er in der Botschaft gefangen.

Vergewaltigung verjährt erst 2020

Einer Auslieferung nach Schweden widersetzt sich Assange vor allem, weil er nicht an die USA ausgeliefert werden will, wo ihm wegen der Wikileaks-Enthüllungen ein Landesverratsverfahren drohen könnte. Doch am schwedischen Auslieferungsbegehren könnte sich allenfalls etwas ändern, wenn klar wäre, ob es eine Klage gegen Assange geben wird. Bisher lagen die Ermittlungen auf Eis, weil Staatsanwältin Ny sich stur weigerte, ein Verhör in einem anderen Land als Schweden abzuhalten.

Seit sie das nicht mehr tut und sich auch Assange zu einem Verhör und einem möglichen DNA-Test in der Botschaft bereit erklärt hat, ist es lediglich wegen eines formellen Hin und Hers nicht zu einem solchen Verhör gekommen. Die Vorwürfe der Nötigung und sexuellen Belästigung verjähren am 13. und am 18. August 2015.

Der schwerwiegendste Tatvorwurf, der der Vergewaltigung, würde aber erst im Jahre 2020 verjähren. Gleichzeitig ist dieser Straftatvorwurf aufgrund der konkreten Beweislage nur äußerst schwer zu beweisen. Ohne einen ausreichenden Tatverdacht wäre eine Anklageerhebung wenig aussichtsreich.

Assange dürfte vermutlich nicht besonders traurig sein, wenn die Vorwürfe der sexuellen Belästigung verjähren. Doch auch für die schwedische Justiz könnte eine solche teilweise Verjährung die Möglichkeit eröffnen, das schon lange unbequeme Verfahren „mangels Beweisen“ kurzerhand ganz zu beenden. Denkbar wäre, dass die schwedische Staatsanwaltschaft zuvor noch Assange in London zu den Vergewaltigungsvorwürfen formell verhört.

„Fünf Jahre des Lebens geraubt“

Eine solche Entwicklung betrachte seine Mandantin mit „gespaltenen Gefühlen“, sagt Claes Borgström, Anwalt der einen Schwedin: „Einerseits will sie natürlich, dass er vor Gericht gestellt wird, andererseits möchte sie das Ganze aber auch endlich abschließen.“

So dürfe ein Rechtsstaat nicht funktionieren, meint dagegen Elisabeth Massi Fritz, die Anwältin der Frau, deren Tatvorwürfe gegen Assange erst 2020 verjähren würden. Assange habe dieser Frau aufgrund seiner Flucht „schon 5 Jahre ihres Lebens geraubt, Jahre die unwiederbringlich sind“: „Nur weil sie es wagte, einen berühmten Mann anzuzeigen.“ Wenn ein Mann sich so über das Gesetz stellen könne, sei das ein „Schlag ins Angesicht jeder Frau, die sexueller Gewalt ausgesetzt wird“.

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