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Anwärmen, Kennenlernen etc.Rundgesänge im Uhrzeigersinn

■ Partyangst? Partnersuch- und Partnerfindprobleme? Schluß mit Langeweile und Schüchternheit: Es gibt doch Josef Broich

Josef Broich ist ein beneidenswerter Mensch. Er ist überall beliebt. Sein Bekanntenkreis ist riesig, sein Freundeskreis groß. Und er ist in der Lage, sich selbst Wildfremde in Minutenschnelle freundlich gesonnen und gefügig zu machen. Denn Josef Broich beherrscht die Kunst des Spiels. Anwärmspiele, Rollenspiele mit Erwachsenen, Phantasiespiele für Gruppen, Körper- und Bewegungsspiele – gleichviel: Josef Broich kennt sie alle. Und alle ihre Kniffe. Voraussichtlich wird Josef Broich auch bald sehr reich sein. Er hat nämlich über all die vielen schönen Spiele, die er kann, vier Bücher geschrieben. Ein bedauernswerter Idiot, wer sie nicht kauft. Und liest.

Denn während unsereins mit dem Prosecco-Gläschen in der Hand vorgeblich lässig auf der Party herumsteht und krampfhaft überlegt, was nun mit all den fremden Leuten anzufangen sei und wie man hier am besten unauffällig wieder rauskommt, verstreicht wertvolle Zeit, die mit Hilfe von Josef Broichs reichem Wissen wahrlich sinnvoller zu nutzen wäre.

Mit einem oder zwei seiner kleinen Anwärmspiele zum Beispiel. Sehr gut geeignet für Veranstaltungen aller Art und mit gnädigen fünf bis zehn Minuten Spielzeit die natürliche anfängliche Scham nicht über Gebühr strapazierend, ist das Phantasiespiel „Zippzapp“. Benötigt werden lediglich einige Stühle und intakte Ohrläppchen. „Wir setzten uns alle in einem Kreis auf Stühle. Der Spielleiter stellt sich in die Kreismitte. Er spricht Spieler aus dem Kreis mit Zipp oder Zapp an. Bei Zipp zieht der Angesprochene vorsichtig seinem rechten Nachbarn und bei Zapp seinem linken Nachbarn am Ohrläppchen.“ Das erfordert einigen Mut. Wärmt aber schon mal ein bißchen vor. Denn gleich wird's brenzlig: „Erklingt das Doppelwort Zippzapp, so tauschen alle Spieler ihre Plätze, wobei auch der Spielleiter versucht, auf einem Stuhl Platz zu ergattern. Der Platzlose geht als neuer Spielleiter in die Kreismitte.“

Derart aufgeheizt kann sich die Gesellschaft jetzt ans echte Kennenlernen wagen. Sicherheitshalber wird sie aber vielleicht doch noch das Aufwärmspiel „Ausgleichsatmen“ zwischenschalten, bei dem die im Kreis aufgestellten Mitspieler so atmen, als wären sie „ein stramm gefüllter Luftballon“. Man atmet so lange im eigenen Rhythmus ein und aus, bis jeder „für sich hier angekommen ist“. Das meint: bis man realisiert hat, was man da eigentlich gerade tut. Muß man auch, denn jetzt folgt bereits das „Namensingen“. Alle bilden wieder den schon geläufigen Kreis und fassen sich an den Händen. „Jeder trägt jetzt im Uhrzeigersinn singend seinen Namen vor.“ Man möchte es vielleicht nicht meinen, aber das mit dem Uhrzeigersinn ist mindestens so wichtig wie die rechtsdrehende Milchsäure im Frühstücksjoghurt, nämlich irgendwie gesünder. Aber weiter: „Beispielsweise kannst du“, schlägt Herr Broich vor, „deinen Vornamen singen, wie ,iiich biiin Kaaaaariiin‘. Nehme vorher tief Luft und blicke während deines Gesangs alle der Reihe nach an.“

Die Partygäste wissen nun schon ziemlich gut, was sie voneinander zu halten haben. Jetzt kann man mit den wirklichen Spielen beginnen. Erstaunlicherweise immer noch als Aufwärmspiel geführt, aber doch schon sehr komplex in seinen Anforderungen, ist „China“: „Du bist Chinese und verschenkst stückweise die chinesische Mauer. Dabei sprichst du chinesisch. Deute bei Spielbeginn pantomimisch die große Chinesische Mauer an. Zum Schluß entdeckst du ein chinesisches Mauerblümchen.“ Wer so was mitmacht, kann ein allzu schlechter Mensch nicht sein. Und das mit dem Mauerblümchen ist, schon gleich in den nachfolgenden Körper- und Bewegungsspielen, durchaus ausbaufähig.

Sehr zu empfehlen und viel weniger verwirrend als die Anleitung vielleicht vermuten läßt, ist beispielsweise „In der Tierwelt“ – dreiphasig angelegt. „Du bist ein Elefant. Bewege dich schwerfällig als Elefant. Mache Geräusche als Elefant.“ Auf diese Weise spielt zunächst jeder für sich ein Tier seiner Wahl durch. Erlaubt ist alles. In Phase zwei sind dann paarweise Verknüpfungen möglich: „Eine Wespe ärgert einen Hund. Eine Waldameise verfolgt eine Schnecke. Eine Katze menschelt mit einem Papagei. Ein Hengst spielt mit einem Panther. Eine Sau verfolgt ein Kücken.“ Gerade die letzte Variante ist nicht ganz ohne, birgt sie doch die Gefahr, daß die Sau und das Kücken für die dritte Spielphase – „Und jetzt alle zusammen!“ – womöglich nicht mehr zur Verfügung stehen. „Wir sind alle Kaninchen und machen ein Riesenfest. Wir sind alle Spinnen und bauen uns ein Netz. Wir sind alle Singvögel und bauen uns ein Nest.“ Das große Miteinander: spätestens jetzt ist die vormals langweilige Party auf ihrem Höhepunkt angekommen. Das Spiel „Tonassoziation“, bei dem man auf dem Rücken liegend zum Beispiel Hitze, Hunger, Steppe, Windmühle und Kälte schmatzend oder summend in eine Frequenz verwandeln muß, kann man sich jetzt sparen. Es wäre geradezu kontraproduktiv, schließt es doch mit der Empfehlung „Verstumme, verweile bei dir“.

Und das ist schließlich nicht die wahre Bestimmung einer Party. Die ist, machen wir uns doch nichts vor, die Paarbildung. Dafür kommen zuvorderst Rollenspiele in Betracht, ideal hier: „Darstellende Paarspiele“. „Die anderen schauen zu. Beide Darsteller führen einen realistischen Dialog miteinander. Beispiel: Spieler A ist pflatschig; Spieler B ist bizarr. Sie unterhalten sich über die Qualen des Ehelebens.“ Sobald man weiß, was „pflatschig“ ist, geht's los. Da sind dann auch die Sau und das Kücken wieder begeistert dabei.

Und wenn nicht alle in der Klapsmühle gelandet sind, dann spielen sie heute noch. Paarweise – dank Josef Broich. Barbara Häusler

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