: Anwälte gegen Sicherheitsgesetze
■ Deutscher Anwaltsverein erhebt schwerste Bedenken gegen die Kronzeugenregelung und geplantes Vermummungsverbot / Uferlos erweiterte Möglichkeiten der Erkenntnissammlung und Datenspeicherung
Köln (ap/dpa) Vor erheblichen rechtsstaatlichen Gefahren durch die Bonner Regierungspläne zur inneren Sicherheit haben am Freitag die im Deutschen Anwaltverein (DAV) zusammengeschlossenen Strafverteidiger gewarnt. In einer Diskussion auf der DAV– Mitgliederversammlung rief der Vorsitzende des Strafrechtsausschusses, der Bremer Rechtsan walt Günter Bandisch, seine Kollegen zu „größter und besorgter Wachsamkeit“ gegenüber den „vielfachen und auch für Fachleute unüberschaubaren Bonner Entwürfen“ zu den Sicherheitsgesetzen, einem einheitlichen Polizeigesetz und geplanten Änderungen der Strafprozeßordnung auf. Auf Widerspruch stießen bei den Strafverteidigern neben dem neuen Straftatbestand des Vermummungsverbotes auch für friedliche Demonstranten die Kronzeugenregelung sowie die „ins uferlose erweiterten Möglichkeiten der Erkenntnissammlung, Speicherung und Weitergabe zwischen Polizei, Ermittlungsbehörden sowie Verfassungsschutzbehörden“, wie sie im Entwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder vorgesehen seien. Nach Darstellung des rechtspolitischen Referenten der CDU/ CSU–Bundestagsfraktion, Klaus Miebach, soll das Gesetzespaket am kommenden Mittwoch im Bundeskabinett verabschiedet werden. Die umstrittene Kronzeugenregelung begründete Miebach auf der DAV–Veranstaltung mit einem „Ermittlungsnotstand“ der Strafverfolgungsbehörden im Bereich der terroristischen Gewalttaten. Er kündigte eine Änderung der derzeitigen Referentenentwürfe an, wonach Beihilfe zum Mord auch bei einer Kronzeugenregelung nicht völlig straffrei bleiben werde. Der Düsseldorfer Strafverteidiger Sven Thomas wies auf die „groteske Situation“ hin, daß durch das Vermummungsverbot strenggenommen auch die maskentragenden Karnevalsnarren betroffen seien: Wer aber eine Pistole zu einer Demonstration mitnehme und sie einem Täter in Kenntnis einer Tötungsabsicht überreiche, könne, wenn er dieses als Kronzeuge später preisgebe, mit einer milden Strafe - jetzt drei Jahre - davonkommen. Dies erinnere im Grundsatz fatal an die Zeit, „als die sogenannte Schutzstrafe zunehmend das Strafrecht prägte“, erklärte Thomas.
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