Antwort jenseits des Suizids

Thema Sterbehilfe entzweit Niedersachsens Koalitionäre: Während bei der CDU gestern Experten gastierten, lässt sich FDP am Montag beraten – von ganz anderen Fachleuten

Eins muss man Ludwig Amadeus Minelli lassen. Der umstrittene Generalsekretär der Schweizer Sterbehilfeorganisation „Dignitas“ hat durch die Gründung seiner Filiale Ende September in Hannover den würdigen Abgang aus der deutschen Tabuzone herausgeführt.

CDU und FDP hatten sich öffentlich um die Einladung Minellis zu einer Fachtagung zum Thema Sterbehilfe gestritten. Die CDU-Fraktion wolle „demjenigen, der den schnellen Tod anbietet, kein Forum bieten“, so Niedersachsens Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann gestern bei der CDU-Veranstaltung zum Thema. 250 Experten und Interessenten waren gekommen. Das FDP-Forum findet am Montag statt – mit Minelli.

„Unterschiedliche Qualitäten“ hat Andreas Brunner bei den Sterbehilfe-Organisationen in der Schweiz ausgemacht. Gegen die Schweizer „Dignitas“ will der Oberstaatsanwalt aus dem Kanton Zürich bei diesem Besuch in Hannover nichts sagen. Dabei hat er in der Schweiz längst Minimalstandards für Sterbehelfer gefordert – und Dignitas gemeint. Bei Exit, so Brunner, einer weiteren Sterbehilfeorganisation, laufe auf jeden Fall „alles sehr gut“. Während die Schweizer Gesetze eine „selbstsüchtige“ Suizidvermittlung verbieten, hatte Heister-Neumann mit ihrer Initiative, die „geschäftsmäßige“ Anbahnung von Sterbegleitung zu unterbinden, zunächst Gegenwind von Parteikollegen aus anderen Bundesländern erhalten. Inzwischen gebe es Unterstützung aus dem Saarland, Sachsen und NRW, allerdings noch keine gemeinsame Position mit der Landes-FDP. Wenn „Dignitas“ in Deutschland die Vermittlung in Schweizer Sterbezimmer untersagt werde, werde die Arbeit der Filiale in Hannover für Dignitas „nicht mehr lukrativ sein“, sagte Heister-Neumann. Dann laufe die Diskussion auf schmerzlindernde Maßnahmen und Hospize hinaus. Das Problem: Zwar fordert die CDU derzeit genau das, aber laut Deutscher Hospizstiftung gibt es nur für zwei Prozent der Fälle Versorgungsmöglichkeiten. Die 250.000 Euro, die laut CDU-Sozialexpertin Heidemarie Mundlos zusätzlich in Palliativstationen im Land gesteckt werden sollen, sind nur Kleckerbeträge.

Viel kann allerdings durch bessere Ausbildung von Pflegepersonal und Ärzten getan werden, die bei der Betreuung Todkranker oft unsicher sind. Häufig würden Maschinen Patienten am Leben erhalten, obwohl man die Apparate auch einfach abstelle könne, sagte eine Teilnehmer. Und so fasste der Verdener Lehrer Johannes Habekost die Tagung zusammen: „Dignitas“ dürfe den Begriff der „Würde“ nicht länger allein besetzen: „Die Leute sollen merken: Hier gibt es eine Antwort jenseits des Selbstmordes“. ksc