Antje Lang-Lendorff begleitet die Grünen beim Zeitungsverteilen: Erfolgsmeldungen auf dem Bahnsteig
Acht Uhr ist ziemlich früh, um sich die gesammelten Erfolge der Grünen zu Gemüte zu führen. Aber was soll’s, die S1 lässt auf sich warten, also setzt sich die blonde junge Frau am S-Bahnhof Friedenau auf eine Bank und blättert durch die Zeitung. Die Grünen bauen Berlin zur Zero-Waste-Stadt um, steht in pinken und schwarzen Lettern auf der Seite vor ihr. „Ein Leben ohne Müll, na ja, das wird wohl noch eine Weile dauern“, sagt sie und lacht.
Bald zweieinhalb Jahre sind die Grünen mit an der Macht, die halbe Legislaturperiode ist also fast um. Dass sich die Stadt in dieser Zeit großartig verändert hätte, dürfte bei vielen so noch nicht angekommen sein. Also helfen die Grünen den BürgerInnen auf die Sprünge: An der Treppe zum Bahnsteig steht am Dienstag Landeschef Werner Graf und bietet freundlich eine Zeitung mit dem Titel „Berlin grünt!“ an. Viele nehmen sie; viele lehnen auch ab.
Die Grünen verteilen 50.000 Zeitungen von Montag bis Mittwoch in den Morgenstunden auf den Bahnhöfen. Es wird aufgezählt, was sie erreicht haben, versehen mit einem kleinen Häkchen: keine Energie mehr aus Braunkohle, Mobilitätsgesetz verabschiedet, 28 Häuser durch Vorkaufsrecht gesichert, Neubau von 30.000 Wohnungen. Wobei das Häkchen hier vielleicht etwas voreilig gesetzt wurde, hat doch Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) kürzlich einräumen müssen, dass es wohl bis 2021 doch nur 25.000 Wohnungen werden. Dass die Mieten weiter massiv steigen oder dass das Radgesetz ewig braucht in der Umsetzung, fehlt in der Zeitung naturgemäß.
Der blonden Frau auf dem Bahnsteig ist das klar. Wenn sich die Grünen damit brüsten, dass sie nach Jahren des Sparens wieder viel investieren, hätte sie gerne auch die Vergleichszahl zum Haushalt davor, sagt sie. Das fände sie überzeugender. Trotzdem liest sie weiter. „Ich wähle die Grünen sowieso. Ich möchte schon wissen, was sie machen. Da hört man ja sonst nicht so viel von.“
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