Antisemitismus im Fußball: 49,60 Euro Strafe für Judenhass
Im Fußball sind Makkabi-Vereine häufig antisemitischen Angriffen ausgesetzt. Eine Konferenz in Frankfurt beschäftigt sich mit Lösungen.

Doch zumindest in den Fußballabteilungen sind alle hin und wieder von antisemitischen Beleidigungen und Drohungen betroffen. Auch körperliche Angriffe hat es immer wieder gegeben. Nur die wenigsten Vorkommnisse werden öffentlich bekannt, erzählt Leibovici bei einem Kongress zum Thema Antisemitismus im Fußball in Frankfurt am vergangenen Donnerstag.
Die Bildungsstätte Anne Frank hat Experten ins Haus des Deutschen Sports eingeladen, um Strategien gegen Judenhass zu diskutieren. „Wenn ich jeden Fall melden würde, hätte ich keine Freizeit mehr“, sagt er. Rufe wie „Free Palestine“ oder „Kindermörder Israel“ würde er fast jede Woche hören. Davon wolle er sich allerdings nicht die Lust am Fußball nehmen lassen.
An manchen Tagen ist das jedoch schwer. 8. April 2018, Kreisoberliga, Leibovics Team ist bei Croatia Frankfurt zu Gast. Immer wenn der Schiedsrichter wegschaut, hätten die Gegenspieler versucht, das Makkabi-Team körperlich anzugreifen. Plötzlich habe der Croatia-Torwart geschrien: „Ich hasse euch Juden!“ Nach dem Spiel sei Leibovici mit dem Tod bedroht worden, schildert er. „So etwas bleibt im Hinterkopf.“
Schnelleres und härteres Durchgreifen gefordert
Bei einem anderen Spiel sei dem Trainerassistenten ins Gesicht geschlagen worden. „Zieh dein Judentrikot aus“ oder „Du wurdest vergessen zu vergasen“ hätten die Spieler gerufen. „Wir mussten den Schiri mit vier Jungs schützen und zum Auto begleiten, weil sie meinten, wir hätten ihn gekauft“, erzählt Leibovici.
Neben ihm sitzt der 20-jährige Vincent Albera, Schiedsrichterbetreuer bei Makkabi. Er hat einen Brief mitgebracht, den ihm die Mutter eines B-Jugend-Spielers geschickt hat. Bei einem Spiel in der U17-Kreisliga Frankfurt in Griesheim sollen Spieler und Trainer der Heimmannschaft die Makkabi-Spieler und Zuschauer massiv antisemitisch beleidigt und bedroht haben. Die muslimischen Makkabi-Spieler seien dort als „Verräter“ beschimpft worden.
„Der Trainer drohte uns mit Nasenbruch, mein Sohn wurde bedroht, kaltgestellt zu werden. Zwei unserer Spieler haben das Spielfeld aus Angst verlassen. Ich rief die Polizei, weil ich wirklich Angst hatte, Angst um mein Leben.“ Mehrere Monate später wird der Fall vor dem Sportgericht verhandelt. Die Strafe für Griesheim 02: 49,60 Euro und ein „Konflikttraining“.
Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland, fordert ein schnelleres und härteres Durchgreifen gegen solche Teams. Und warnt: „In den letzten Jahren waren die Täter fast ausschließlich Menschen mit muslimisch-arabischem Hintergrund.“ Ihm sei es sehr wichtig, hier nicht zu verallgemeinern. „Doch ich erlaube mir es, das beim Namen zu nennen.“ Michael Gabriel, der die Koordinationsstelle Fanprojekte leitet, sagt, für den Amateurfußball, bei dem vor allem Freunde und Verwandte am Spielfeldrand stehen, sei das sicherlich zutreffend. „Doch in der Fankultur, beim Zuschauersport, ist beim Thema Antisemitismus weiterhin die rechte Spielart dominierend.“
Fanprojekte, die sich mit der israelischen Realität befassen
Er sieht jedoch viele Fortschritte bei dem Thema, lobt Projekte von Fußballfans, die sich mit der Vereinsgeschichte im Nationalsozialismus beschäftigen oder jüdische Biografien von Spielern, Funktionären und Mitgliedern erforschen. „Wenn sich das in eine Haltung des Vereins einbettet, die auch von den Vorständen und Präsidien repräsentiert wird, sind das Rahmenbedingungen, mit denen man ein starkes Gegengewicht gegen Antisemitismus und Rassismus aufbauen kann.“
Es sei allerdings nicht nur wichtig, sich mit den toten, sondern auch mit den lebenden Juden zu beschäftigen. Als Beispiele nennt er Kooperationen von Vereinen mit Makkabi oder Fanprojekte, die sich in Israelreisen mit der israelischen Realität befassen und sich dort mit israelischen Fans austauschen. „Belehrungen kommen gegen Erfahrungen nicht an.“
Nebenan verfolgen junge Fußballfans noch immer den Erfahrungsberichten des Makkabi-Funktionärs Ariel Leibovici. Er betont, dass sein Team weiterhin viel Spaß am Fußball habe. Man merkt, wie leidenschaftlich er bei der Sache ist. „Ich will nicht übertreiben, wir sind nicht in ständiger Angst.“ Doch natürlich bleiben antisemitische Vorfälle nicht folgenlos. Die 2015 neu gegründete dritte Herrenmannschaft von Makkabi Berlin hat sich mittlerweile wieder aufgelöst. Leibovici bringt das mit ständigen Attacken in Verbindung. Zweimal musste sich das Amateurteam in der Kabine verstecken – vor den gegnerischen Spielern.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!