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Antisemit tritt ab

Nach antisemitischen Äußerungen ist der Regisseur Claude Autant-Lara von seinem Mandat im Europaparlament zurückgetreten / 'Globe'-Interview: „Natürlich bin ich Revisionist“  ■  Aus Paris Alexander Smoltczyk

Ein vorab veröffentlichtes Interview der Monatszeitschrift 'Globe‘ mit dem Pariser Filmregisseurs und Alterspräsidenten der Europäischen Parlamentes Claude Autant-Lara hat in Frankreich zu einem Skandal geführt. Darin bekennt sich der 88jährige Autant-Lara unter anderem als „Revisionist“ und beleidigt die ehemalige Auschwitz-Internierte und Expräsidentin des Europaparlaments Simone Veil auf das widerwärtigste.

Im Juni war Autant-Lara, der bis Mitte der achtziger Jahre allgemein als Pazifist und Mann der Linken gegolten hatte, auf der Liste der Front National in das Europaparlament gewählt worden. Als Alterspräsident hatte er eine Eröffnungsrede gehalten, in der er die „barbarische Invasion“ des „Uncle Sam“ geißelte. In einem telefonisch geführten Interview hat 'Globe‘, von dem Literaten Bernard Henri-Levy und dem Präsidenten der Anti-Rassismus-Kampagne „SOS-Racisme“ Harlem Desir mitgegründet, nun nachgehakt oder präziser: Statements abgehakt. Nachdem Autant-Lara seine Mitgliedschaft bei der Le-Pen-Partei damit begründet, diese sei „leider die einzige Partei, die ein wenig an der Verteidigung Frankreichs arbeitet“, fragt 'Globe‘: „Sind Sie für den Revisionismus?“ - „Ja, natürlich. Wenn man die Dinge ein wenig genauer betrachtet, sieht man klar, wie wir mit Geschichten, mit Lügen vollgestopft sind...“

Danach gefragt, was er von Simone Veil, die als junges Mädchen Auschwitz überlebte, halte, antwortet Autant-Lara: „Ob Sie es wollen oder nicht, sie gehört zu einer Ethnie, die eine politische Ethnie ist, die versucht, sich festzusetzen und zu herrschen ('Globe‘: „Glauben Sie, daß sie sich der Tatsache bedient, daß sie in den Konzentrationslagern interniert war, weil...“) „Oh, sie spielt Mandoline damit. Aber sie ist ja wiedergekommen, oder? Und ihr geht's doch prächtig... Also, wenn jemand mir mit Völkermord kommt, kann ich nur sagen, daß sie das Mütterchen Veil vergessen haben!“ Hier endet das Interview. Es wurde gestern von Autant-Lara als „unaufrichtig“ wiedergegeben bezeichnet, aber nicht dementiert.

Der Chefredakteur des 'Globe‘, Georges-Marc Benamou, rechtfertigt die Veröffentlichung des Textes damit, daß „sich hier ein Denken der französischen Rechtsextremen insgesamt offenbart“.

Sobald die Äußerungen des Claude Autant-Lara bekannt wurden, forderten Politiker wie der liberal-konservative Fran?ois Leotard, die parlamentarische Immunität des Europaabgeordneten aufzuheben, um eine strafrechtliche Verfolgung zu ermöglichen. Doch Autant-Lara war dem bereits zuvorgekommen: Gestern mittag ließ er erklären, bereits seit dem 4. September von seinem Mandat zurückgetreten zu sein.

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