Antimilitaristisches Sommercamp: Proteste auf dem Übungsplatz
In der Altmark trainiert die Bundeswehr die Bekämpfung von Aufständen – und lockt Kriegsgegner an. Unbekannte verübten nun einen Anschlag.
LETZTLINGEN taz | Unter dem Motto „War starts here, let’s stop it here“ haben etwa 300 Menschen gegen das Gefechtsübungszentrum (GÜZ) der Bundeswehr nördlich von Magdeburg protestiert. Der 232 Quadratkilometer große Truppenübungsplatz Altmark ist Deutschlands drittgrößtes Manövergebiet. Bis 2017 entsteht dort die Übungsstadt Schnöggersburg, in der Soldaten Krieg im urbanen Raum trainieren sollen.
Seit Anfang der Woche hatten Kriegsgegner im Dorf Potzehne ein Camp errichtet. Mehrfach starteten sie von dort aus zu Kundgebungen auf das Bundeswehrgelände. „Auf dem GÜZ wird geübt, was in Afghanistan und an anderen Orten für die Zivilbevölkerung tödlicher Alltag wird“, sagt ein Camp-Sprecher, der sich Nore Cord nennt.
Die Bundeswehr hatte den Sicherheitsbereich um das Areal erweitert, die Polizei war mit 500 Beamten im Einsatz. Es habe während der Woche eine „kleine Anzahl Sachbeschädigungen und Schmierereien“ gegeben, insgesamt sei die „Lage aber ruhig“, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag. Etwa 100 Personen seien vom Gelände geleitet worden.
In der Nacht zündeten Unbekannte auf dem Gelände einen Bagger an und warfen die Scheiben einiger Baufahrzeuge ein. Die Maschinen gehören einer Firma, die für die Bundeswehr Flächen renaturiert.
Zeitgleich mit dem Ende des letzten „War starts here“-Camp 2013 war auf die Bundeswehrkaserne im 90 Kilometer entfernten Havelberg ein Brandanschlag verübt worden. 16 Lkws und Panzerfahrzeuge brannten aus, es entstand Sachschaden von über zehn Millionen Euro. Die Polizei konnte die Täter bis heute nicht ermitteln.
„Wir sind dieses Jahr nicht anders mit dem Camp umgegangen als im Vorjahr“, hieß es bei der Polizei. Campteilnehmer berichten von Gewahrsamnahmen und Personalienfeststellungen.
Im Auftrag der Bundeswehr
Das GÜZ wird vom Rüstungskonzern Rheinmetall für die Bundeswehr betrieben. Den Export einer ähnlichen Anlage nach Russland hatte die Regierung im Juli gestoppt. Anfang August bekam Rheinmetall den Auftrag, das GÜZ in der Altmark bis 2018 weiterzubetreiben – für bis zu 70 Millionen Euro.
Besonders treibt die Bundeswehrgegner um, dass in der Altmark Aufstandsbekämpfung geübt wird. „Schnöggersburg muss nicht Masar-i-Scharif darstellen, das können ebenso gut europäische Städte sein“, sagt Cord. Am GÜZ zeige sich eine Neuausrichtung der Sicherheitspolitik: „Die Grenzen zwischen Polizei und Militär verschwimmen.“
Die Militärübungen im urbanen Raum seien eine Reaktion auf die wachsende Verstädterung: „In den Metropolen ballen sich soziale Konfliktlagen. Die EU rechnet deshalb damit, dass es auch im Inneren Aufstände geben könnte – und hat bereits erlaubt, dass Armeen der Mitgliedstaaten unter Umständen in anderen EU-Staaten eingesetzt werden dürfen. Wann wird die Bundeswehr im Innern eingesetzt?“
Antimilitarismus muss früher ansetzen
Die Militärgegner hatten auch Aktivisten aus der Ukraine, Israel und eine Südkurdistan-Delegation eingeladen. Müssen Antimilitaristen Waffenlieferungen etwa an die bedrängten Kurden ablehnen? „Wir haben das kontrovers diskutiert“, sagt Cord. Ergebnis: Die Frage sei „nicht an einzelnen Konflikten zu beantworten“. Antimilitarismus müsse früher ansetzen: „Es geht darum, für Verhältnisse einzutreten, die Krieg gar nicht erst hervorbringen. Letztlich ist Krieg immer Ausdruck der Staatenkonkurrenz – und damit des Kapitalismus.“
In den Wochen vor dem Camp hatte sich die Stimmung in der Altmark aufgeheizt. Anfang Juli schütteten Unbekannte das Becken im Potzehner Freibad mit Konfetti voll, weil auch dort die Bundeswehr trainiert. „So haben die Terroristen in den 1970er Jahren im Westen auch angefangen“, sagte der Standortälteste, Oberst Gunter Schneider, dazu.
Kommunalpolitiker machten Stimmung gegen das Camp: Die Bevölkerung stehe zur Bundeswehr, sagte Letztlingens Bürgermeisterin Regina Lessing in der Lokalzeitung Volksstimme. In Letztlingen befindet sich die GÜZ-Kommandozentrale. Am Samstag richtete Lessing einen „schönen Sommermarkt mit Angeboten für die ganze Familie“ aus – und blockierte den Markt, auf dem die Kriegsgegner ihre Kundgebung abhalten wollten.
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