Antibakterieller Wirkstoff: Gift im Badezimmerschränkchen
Ärzte und Ärztinnen fordern ein Verbot des umstrittenen antibakteriellen Triclosan. Die Substanz befindet sich zum Beispiel in Zahnpasta.
BERLIN taz | „12 Stunden Non-Stop Schutz“, zudem Vorbeugung von Zahnfleischproblemen mit dem antibakteriellen Wirkstoff Triclosan – in der Werbung der Zahncreme Colgate Total liest sich das gut. Doch Triclosan ist umstritten.
Die Ärzte und Ärztinnen für Umweltschutz (AefU) in der Schweiz haben nun die Online-Petition „Triclosan verbieten“ gestartet. Sie richtet sich zunächst zwar an den Schweizer Bundesrat. Triclosan findet sich aber nicht nur in Produkten in der Schweiz, sondern weltweit. In Deos und Fußpuder. In Müllbeuteln und Socken. In Reinigern für Sexspielzeug oder Hundepfoten.
Der Zusatzstoff, der Bakterien töten und gegen üblen Geruch helfen soll, steht in Verdacht, im Körper wie ein Hormon zu wirken und Brustkrebs auszulösen. Er soll auch Spermien, Leber und Muskeln schwächen. Darüber hinaus können sich durch ihn resistente Keime bilden, in Laborversuchen waren es auch solche, bei denen Antibiotika nicht mehr wirken.
Martin Forter ist AefU-Geschäftsführer und der Kopf der Kampagne, auch wenn er selbst kein Mediziner, sondern Geograf ist. In den vergangenen Wochen ist er in Apotheken, Drogerien und Supermärkten auf Einkaufstour gegangen und hat knapp 70 Produkte, die Triclosan enthalten, mitgenommen – und das sei nur eine Auswahl, sagt Forter. Dabei schade der antibakterielle Stoff mehr als er nütze.
Blut und Muttermilch
Triclosan ist eine hochchlorierte Verbindung. Ähnliche Stoffe, wie zum Beispiel das Insektizid DDT, seien längst verboten, sagt Forter. „Nur Triclosan hat die Kritik an dieser Stoffgruppe überlebt und ist immer noch auf dem Markt.“ Der von der Basler Firma Geigy – einen Vorgänger des Novartiskonzerns – Mitte der 1960er Jahre entwickelte Stoff lagere sich im Fettgewebe der Menschen ab. Er sei im Blut und der Muttermilch der Menschen nachgewiesen worden, aber auch in Gewässern und Fischen.
Heute wird Triclosan vor allem vom Chemiekonzern BASF produziert. Manche Hersteller von Kosmetika und Reinigungsmitteln stellen freiwillig peu à peu auf andere Wirkstoffe um: Johnson & Johnson verspricht auf seiner Homepage, Alternativen zu entwickeln und Triclosan bis 2015 zu ersetzen. Forter hat alle Produzenten seiner Triclosan-Einkäufe gefragt, wie lange sie die Substanz noch verwenden.
Colgate-Palmolive habe den Stoff am „vehementesten“ verteidigt, sagt Forter. So antwortete ihm der Konzern per E-Mail: Die Menge, die für Zahnpasta verwendet werde, nämlich eine Konzentration von 0,3 Prozent, sei nach EU-Recht „zulässig“ und „sicher“. Und: „Es gibt keine Beweise dafür, dass die geringe Menge an Triclosan, die in die Umwelt gelangt, schädlich ist.“ Erst im Jahr 2013 erteilte auch die Stiftung Warentest Colgate Total ein „sehr gut“. Sprecherin Heike van Laak zur taz: „Der Grenzwert wird eingehalten, insofern hat es keine Abwertung gegeben.“
In Minnesota verboten
Doch nicht nur die AefU-Leute fürchten das Risiko. Der US-Bundesstaat Minnesota hat im Mai diesen Jahres ein Gesetz verabschiedet, nach dem Triclosan dort ab 2017 verboten ist. Saudi-Arabien hat den Stoff aus Kosmetik verbannt. In der EU darf er in der Lebensmittelbranche, in Folien, auf Schneidebrettern oder Transportbändern schon nicht mehr verwendet werden.
Eine Sprecherin des Bundesinstituts für Risikobewertung sagte zwar der taz: „Die zugelassenen Konzentrationen in Kosmetika sind so gering, dass eine negative Wirkung auf die Gesundheit nicht zu erwarten ist.“ Doch habe das Institut schon vor fünf Jahren empfohlen, „den Einsatz von Triclosan auf den medizinischen Bereich zu beschränken“. Derzeit klärt auch die EU nach der Chemikalienrichtlinie Reach und der Biozidverordnung, wie gefährlich Triclosan ist und ob es künftig ganz verboten wird. Doch die Prozesse sind langwierig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit