Anti-Schlachthof-Camp geräumt: Polizei gegen Hühner Armee Fraktion
Die Polizei hat in Niedersachsen ein von Tierschützern besetztes Baugelände geräumt. Dort soll Europas größter Geflügelschlachthof entstehen.
WIETZE/BERLIN taz | Die Polizei hat das von Tierschützern besetzte Baugelände für Europas größten Geflügelschlachthof geräumt. Etwa 200 Polizisten rückten am Dienstagmorgen auf das Grundstück im niedersächsischen Wietze bei Celle vor. Spezialeinheiten brauchten rund zehn Stunden Stunden, um zehn Aktivisten zu entfernen, die sich unter anderem an Betonblöcken festgekettet hatten. Vor allem jüngere Tierrechtler hatten das Gelände seit Ende Mai besetzt gehalten.
Bei voller Auslastung der Anlage sollen hier 130 Millionen Tiere im Jahr geschlachtet werden - das wären umgerechnet 356.000 Hühner pro Tag. Die Schlachttiere sollen nach Angaben des Investors, der Firma Emsland Frischgeflügel, aus 400 neuen Mastställen für je 40.000 Hähne kommen.
"Das ist ein Millionenmord an sämtlichen Lebewesen. Es geht ja nicht nur um die Tiere, da ist auch die Belastung der Umgebung durch die ganzen Lastwagen und die Abholzung des Regenwaldes für das Futter", erläuterte einer der Besetzer. Mit der Anlage und den Mastbetrieben gingen, so die Befürchtung mehrerer Bürgerinitiativen, Lärm- und Geruchsbelästigung, die Gefahr von Tierseuchen sowie Feinstaubemissionen einher. Der Investor wollte sich dazu am Dienstag trotz einer Anfrage der taz nicht äußern. Befürworter werben für das Projekt besonders mit den etwa 250 Arbeitsplätzen, die der Schlachthof in der ersten Ausbaustufe bieten soll. Alle tierschutz- und umweltrechtlichen Vorschriften würden eingehalten.
Trotz der Einwände hatte das Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg am 16. Juli die Baugenehmigung erteilt. Der Landkreis Celle ordnete daraufhin die Räumung an. Sie war schwierig, weil die Besetzer sich außergewöhnlich trickreich verschanzt hatten. Zwei hatten sich sogar an einen Betonblock in einem Wohnwagen festgekettet, den sie in der Erde vergruben. Andere hatten sich auf zehn Meter hohen Holzgestellen festgebunden, so dass die Polizei mit einer Drehleiter und einer Hebebühne arbeiten musste. "So was wie das hier haben wir noch nie gesehen", sagte ein Polizist. Alles sei friedlich verlaufen. Irritierend war nur die Bemerkung eines Rettungssanitäters: "Schaufel Erde drauf und gut ist."
Die Blockierer wurden der Polizei zufolge zur Aufnahme der Personalien auf die Wache gebracht und konnten dann gehen. Gegen sie werde wegen Hausfriedensbruch und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ermittelt.
Der Investor kündigte nach der Räumung an, dass die Bauarbeiten noch im August beginnen würden. Bereits am Dienstag wurde ein Zaun um das Gelände gezogen.
Einer der künftigen Zulieferbetriebe für den geplanten Schlachthof ist am 30. Juli in Flammen aufgegangen. In einem Gebäude in Sprötze bei Hamburg sollten dort bis zu 36.000 Hähnchen gemästet werden, sagte Angela Eickhoff von der Betreiberfamilie. Medienberichten zufolge begründete die militante Tierschützergruppe Animal Liberation Front diesen "Brandanschlag" mit dem Protest gegen Mastanlagen. Polizeisprecher Jan Krüger stufte das Schreiben jedoch nur als "Sympathiebekundung" ein. "Darin wird kein Täterwissen deutlich." Es werde in alle Richtungen ermittelt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden