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Anti-Rushdie-Film wieder erlaubt

■ Britische Zensurbehörde hebt Verbot am Wochenende auf / Der Autor: „Den Schutz der Zensur wünsche ich nicht“

Berlin (taz) - Die britische Behörde für Filmzensur hat am Wochenende das Verbot gegen den pakistanischen Anti -Rushdie-Film International Guerillas wieder aufgehoben. Der Film, der bis zum Verbot als Video in Originalsprache vertrieben wurde, zeigt den Autor der „Satanischen Verse“ als Sadisten und Verbrecher, bis ihn qua Blitz die gerechte Strafe des Himmels ereilt. Salman Rushdie selbst hatte sich in einem Statement für die Aufhebung des Verbots ausgesprochen: „Als Schriftsteller wende ich mich grundsätzlich gegen die Anwendung der archaischen kriminellen Zensurgesetze (bezogen auf Blasphemie, Hetze und Verleumdung) auf künstlerische Werke. (...) Den zweifelhaften Schutz der Zensur wünsche ich nicht. Zensur ist kontraproduktiv, in Wahrheit erhöht sie die Gefahren, die sie zu reduzieren versucht.“ Mehr als auf die Zensurbehörde vertraut Rushie auf die „Fähigkeit des Publikums, sowohl des nichtmoslemischen als auch des moslemischen, den Film als den verzerrten und inkompetenten Schund zu sehen, der er ist und zu unterscheiden zwischen der lächerlichen 'Salman Rushdie'-Figur im Film und meiner Person.“

Erst die Aufhebung des Verbots ermöglicht nun gerichtliche Schritte, Klagen etwa von Menschenrechtskommissionen oder der jüdischen Gemeinde gegen den auch deutlich antisemitischen Film. Rushdie selbst beabsichtigt jedoch keineswegs, vor Gericht zu gehen. Auch das Internationale Komitee zur Verteidigung von Salman Rushdie und seiner Verleger wird gegen den Film nichts unternehmen. Komitee -Mitarbeiterin Carmel Bedford begrüßte in einem Gespräch mit der taz ebenfalls die Aufhebung des Verbots, die Erklärung von Salman Rushdie habe ihre volle Unterstützung. Sie glaubt, daß Mohammad Fayyaz, der Verleiher von International Guerrillas, insofern recht hat, als der Film die Aggressionen gegen den Schriftsteller letztendlich nicht anstachelt, sondern eher zu einer „harmlosen“ Aggressionsabfuhr beiträgt. Sie glaubt kaum, daß das Video, das „man sich ja zu Hause anschaut, so wie man ein Buch liest; daß eine solche private Beschäftigung Gewalt produzieren kann“. Außerdem setzt sie, wie Rushdie selbst, auf den Lernprozeß. „Bisher haben die Moslems gedacht, das britische Establishment sei gegen sie. Ich bin überzeugt, daß die Aufhebung des Verbots sie wahrnehmen läßt, daß es hier wirklich so etwas wie Demokratie gibt. Das verschafft uns eine Atempause und macht letztlich den Versöhnungsprozeß leichter“.

Öffentliche Stellungnahmen oder Proteste, etwa von der jüdischen Gemeinde, hat es ihres Wissens bisher noch nicht gegeben, was daran liegen mag, daß der Film ja bisher verboten war. Auf keinen Fall jedoch wird er im Fernsehen zu sehen sein; der Äußerung von Fayyaz (siehe taz vom 24.7.), er verhandle mit 'Channel Four‘ über eine mögliche Ausstrahlung, entgegnete der kritische Sender nun in den englischen Medien mit aller Deutlichkeit: An diesem Film seien sie nicht im geringsten interessiert. Verleiher Fayyaz äußerte sich zur Aufhebung des Verbots, indem er seine Überraschung über Rushdies Statement kundtat. „Aber wir sind jetzt sehr zufrieden“. Und Produzent Fagad Gul meinte in einer britischen Zeitung: „Die britische Justiz und Demokratie haben gesiegt. Es ist Herrn Rusdhies gutes Recht, zu sagen, der Film sei Schund, aber in Wahrheit handelt es sich um einen kommerziell hervorragend gemachten Streifen“. Möglicherweise wird Verleiher Fayyaz jetzt versuchen, für seinen in Pakistan äußerst erfolgreichen Streifen eine Kinolizenz zu bekommen; in jedem Fall wird er ihn demnächst auch mit englischen Untertiteln in den Videoshops anbieten. Auch ins Ausland wird der Film offenbar vertrieben, eine norwegische Zeitung berichtete bereits, daß das Video dort im Laden erhältlich ist.

Noch gibt es keine öffentliche Werbung für International Guerillas. In Punkt fünf seiner Erklärung fügt Rushdie daher hinzu, daß er gerichtliche Schritte für selbstverständlich hält, „falls solches Werbematerial direkt zur Gewalt auffordern sollte.“ Auch das Komitee würde dann vor Gericht gehen wollen. „Aber“, so Carmel Bedford, „die Videoverleiher werden jetzt sehr vorsichtig sein, schon aus Angst vor Geldstrafen“. Zumal das bisherige Verbot in der Tat das beste Werbemittel war, das Mohammad Fayyaz sich wünschen konnte: Die Raubkopien fanden reißenden Absatz.

chp

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