Anti-Nazi-Protest in Dortmund: Tausende demonstrieren gegen rechts
In Dortmund eilten Gegner eines erst kurz zuvor genehmigten Neonazi-Aufmarschs auf die Straßen. Es kam zu 160 vorläufigen Festnahmen.
DORTMUND taz | Mehrere tausend Menschen haben am Wochenende in Dortmund gegen einen Aufmarsch von einigen hundert militanten Neonazis protestiert. "Wir lassen den braunen Spuk nicht zu", sagte der nordrhein-westfälische Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) auf der größten von zahlreichen Gegenveranstaltungen.
Den als "nationaler Antikriegstag" deklarierten Aufmarsch der Rechtsextremen hatte die Polizei ursprünglich in der vergangenen Woche verboten. Bei einem festgenommenen 19-jährigen Aachener mit engen Verbindungen zur Dortmunder Neonazi-Szene waren zuvor Sprengsätze gefunden worden. Doch in einer Eilentscheidung kassierte das Bundesverfassungsgericht am Samstagmorgen die Verbotsverfügung. Die Gefahrenprognose der Polizei habe nicht auf einer hinreichend gestützten Grundlage beruht.
Der Dortmunder Polizeipräsident Hans Schulze bedauerte den Gerichtsbeschluss: "Das Risiko, dass höchst gefährliche Sprengkörper nach Dortmund gebracht und dort deponiert sein könnten, reicht dem Bundesverfassungsgericht für ein Verbot nicht." Daraufhin genehmigte Schulze eine "Standkundgebung" im Hafengebiet.
Einen geplanten Marsch der Neonazis durch die Stadt erlaubte er jedoch nicht. Eine offenkundig kluge Entscheidung: Im Bereich der von den Neonazis anvisierten Wegstrecke fand die Polizei nach eigenen Angaben am Samstag mehrere "unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtungen" sowie ein Erddepot mit Chemikalien und Vermummungsmaterial.
An der Versammlung beteiligten sich 466 "autonome Nationalisten". Etwa 500 weitere versuchten vergeblich, vom Bahnhof Dortmund-Scharnhorst aus Richtung Stadtmitte zu marschieren. "Zur Gefahrenabwehr" löste die Polizei die nicht angemeldete Demo auf und erteilte 388 Personen Platzverweise für das Dortmunder Stadtgebiet.
Die Polizei ging auch gegen mehrere Sitzblockaden vor, mit denen das Bündnis „Dortmund stellt sich quer“ den Aufmarsch der Neonazis verhindern wollte. Obwohl von den Blockaden „keinerlei Eskalation“ ausgegangen sei, seien die Beamten „teilweise überaus aggressiv“ vorgegangen, kritisierte die Vorsitzende der Linksfraktion im NRW-Landtag, Bärbel Beuermann. „Mehrere Personen erlitten Gesichtsverletzungen, wie zum Beispiel blutige Nasen.“
Insgesamt nahm die Polizei 160 Menschen vorläufig fest, 25 ordnete sie der rechtsextremen Szene und 131 dem linken Spektrum zu. Sieben Beamten wurden verletzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!