: Anti-IWF: Neue Qualität fernab Berlins?
In fast jeder Stadt gehören sie momentan zur Tagesordnung: Veranstaltungen, Aktionsbündnisse gegen die IWF- und Weltbanktagung in Berlin / Aber ist wirklich eine neue antiimperialistische Bewegung entstanden, sind neue Leute angesprochen, oder bleiben die alten Aktivisten unter sich? Das Beispiel: Nürnberg ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler
„Diese Hütten, die hier vor Ihren Augen stehen, werden nicht im Auftrag der Deutschen Bank gebaut. Trotzdem gehören der Neubau der Deutschen Bank und diese Hütten zusammen, sie sind zwei Seiten einer Medaille.“ In Minutenschnelle bauten Mitglieder des „Nürnberger Aktionsbündnisses gegen IWF und Weltbank“ vor dem in Kürze fertiggestellten Prunkbau der Deutchen Bank in der Fußgängerzone ein ganzes Dorf von Slumhütten auf. Den erstaunten Passanten mit ihren wohlgefüllten Einkaufstüten drückten sie Flugblätter in die Hand, um ihnen klarzumachen, daß auch die Deutsche Bank an der Verschuldung der Dritten Welt kräftig mitverdient. Die sofort eingetroffenen Polizisten sind von der perfekten Organisation der Blitzaktion überrascht und stehen dumm daneben. Mit dieser Aktion ging das „Nürnberger Aktionsbündnis“ Mitte Mai zum ersten Mal auf die Straße, um IWF und Weltbank auch in Nürnberg zum Thema zu machen.
Der Abschluß der in Nürnberg zur Tradition gewordenen Lateinamerikawoche, die im Januar unter dem Motto Verschuldung und Verelendung stand, wurde zum Auftakt für die IWF-Kampagne in der Region. Ein Aktionsbündnis bildete sich aus Ökologiegruppen wie Robin Wood und der Nürnberger Initiative gegen die WAA, aus Dritte-Welt -Gruppen, der Initiative Freie Flüchtlingsstadt, dem Kommunistischen Bund, den Grünen, Teilen der Autonomen und kirchlichen Gruppierungen wie den evangelischen Frauen gegen Apartheid, der Evangelischen Studentengemeinde oder dem evangelischen Forum für Frieden. Als Kontaktadresse für das Aktionsbündnis firmierte der Kirchliche Entwicklungsdienst.
Hans Hunglinger vom Lateinamerikakomitee gesteht zwar zu, daß keine wesentlich neuen Kreise hinzugewonnen werden konnten, für ihn besitzt jedoch die Konstellation des Bündnisses eine „neue Qualität“. In der Nürnberger Politszene sei etwas in Bewegung geraten: „Wo sonst kommen Kirchenleute mit Autonomen zusammen?“ Hunglinger gibt zu, daß die IWF-Kampagne bisher „nicht der große Renner geworden“ sei, er hätte sich ebenso wie die Autonomen mehr erhofft.
Deren Zielvorstellung war es, die verschiedenen sogenannten „Teilbereichsbewegungen“ am Punkt IWF/Weltbank zusammenzuführen und einen neuen Internationalismus-Begriff zu prägen. Eine Diskussion über das revolutionäre Subjekt in der Dritten Welt sollte geführt werden, die Hungerrevolten und spontanen Massenbewegungen mit dem Ziel, die IWF -Restriktionen abzuwehren, sollten dabei den organisierten Befreiungsbewegungen alternativ gegenübergestellt werden. Doch von einer erhofften neuen antiimperialistischen Bewegung ist in Nürnberg weit und breit nichts zu sehen.
Nach Bildung des Aktionsbündnisses trat die frischgebackene „Bewegung“ in eine Schulungsphase zu den Themen BRD, Banken, Konzerne und Veschuldung ein. Politische Ökonomie wurde zum Thema. Studientage, Seminare, Diavorträge, Filmvorführungen und Diskussionen in Stadtteilzentren machten die IWF -Kampagne in der Region bekannt. Durch eingehende Informationsarbeit in den Gruppen, so Elisabeth Ramthun von der Initiative Freie Flüchtlingsstadt Nürnberg, hat sich das Bewußtsein der bereits Aktiven erweitert, aber nicht der Kreis der Aktiven selbst.
Elisabeth Ramthun vermißt im IWF-Aktionsbündnis eine Annäherung der inhaltlichen Positionen und kann daher keine neue Qualität entdecken. Jede Gruppe nehme nur mit ihrem Thema an der Kampagne teil, Ökologiegruppen über die Zerstörung der Regenwälder, AKW-Gruppen zu Atomgeschäften mit Brasilien. Nicht sogenannte „Teilbereichsgruppen“ würden am Thema IWF zusammengeführt, sondern nur Leute eines bestimmten Spektrums innerhalb der Gruppen, schränkt Hans Hunglinger zusätzlich ein.
Im Juli fand dann ein Spektakel für ganz Nordbayern in Nürnberg statt. Etwa 20 Knechte, in Sackleinen gehüllt, zogen an Stricken einen schmucken Cadillac, besetzt mit Zigarre qualmenden, Sekt schlürfenden Bonzen, die IWF Weltbanken und Kapital symbolisierten, durch die Nürnberger City, 250 Leute beteiligten sich an dem Spektakel unter dem Motto Schulden streichen als 1.Schritt. Wie auch bei der ersten Straßenaktion stand die Begeisterung der anwesenden Pressefotografen über die gelungene Aktion in keinem Verhältnis zur Berichterstattung. Keine Meldung sind den 'Nürnberger Nachrichten‘ die IWF-Aktionen wert. Mitglieder des Aktionsbündnisses glauben, daß die 'Nürnberger Nachrichten‘ das Thema bewußt totschweigen.
Auch als Mitte Juli die Politik des IWF zum Thema der renommierten „evangelischen Kommentargottesdienste“ in der zenralen Lorenzkirche auserwählt wurde, widmete das Blatt dem Ereignis keine Zeile. In der gutgefüllten Lorenzkirche löste die These von Ministerialrat Dr.Pifke vom Finanzministerium, es sei statistisch nicht nachweisbar, daß die Armen von der Verschuldung betroffen wären, eine engagierte und lange Diskussion aus. Doch Pifke ließ sich nicht aus seiner stoischen Beamtenruhe bringen und gab damit ein Beispiel für die Arroganz der Macht, mit der IWF und Weltbank den verschuldeten Ländern gegenübertreten.
Vor den Aktionstagen in Berlin finden in Nürnberg noch einmal Veranstaltungsreihen zum Thema statt. Während das Aktionsbündnis die Arbeitsteilung zwischen IWF und Weltbank beleuchtet, bieten die Autonomen im KOMM eine IWF-Disko „mit kühlen Getränken, heißer Musik und Informationen“, ein IWF -Frühstück und Diskussionen zu IWF und Imperialismus und zur Bevölkerungspolitik. Auch wenn das letzte Flugblatt des Aktionsbündnisses das Motto Auf nach Berlin trägt, weisen die Aktivisten den Vorwurf der „Berlin-Zentriertheit“ ihrer regionalen Kampagne weit von sich. Der Informationsfluß von Berlin nach Nürnberg sei zwar bestens gewesen, aber man habe bewußt lokale und regionale Schwerpunkte gesetzt.
Abfahrt der Busse nach Berlin um 2.00 Uhr vom ZOB, Nähe Hauptbahnhof. Karten gibt es in der DESI, beim Grünen Büro und in der Bücherkiste. Um gemeinsam die Grenze in Hof anzupeilen, sollten sich alle süddeutschen IWF-Fahrer an diesem Termin orientieren.
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