Anti-Drogen-Kampf auf den Philippinen: Zwischen Sicherheit und Todesangst
In Davao, wo Präsident Duterte Bürgermeister war, wird hart in Fällen von Drogenkriminalität durchgegriffen. Das Beispiel macht Schule.
Bis heute ist unklar, wer dahinter steckt. Vieles deutet auf die radikal-islamistische Gruppe Abu Sayyaf hin, die im Westen der Insel Mindanao und im Sulu-Archipel ihr Unwesen treibt. Es gibt aber auch Hinweise, dass Drogenbosse ein Zeichen setzen wollten. Mindanaos Hauptstadt Davao gilt als eine der sichersten Millionenstädte weltweit, seit Rodrigo Duterte dort in zwei Jahrzehnten mit brachialen Methoden dem Verbrechen den Kampf ansagte.
Drogenhändler wurden von Killerkommandos unter Dutertes Beifall hingerichtet. Inzwischen ist Davaos früherer Bürgermeister Präsident der Philippinen. Wurde er landesweit mit 39 Prozent der Stimmen gewählt, waren es in Davao 96 Prozent. Im Wahlkampf hatte er versprochen, das Modell Davao auf die ganze Nation auszuweiten.
In dieser großflächigen Stadt im Süden Mindanaos sprechen fast alle in den höchsten Tönen von ihrem Präsidenten. Viele tragen Duterte-T-Shirts oder kleben seine Slogans auf ihre Autos. Sein grünes Privathaus am Stadtrand ist eine Pilgerstätte. Souvenirhändler verkaufen vor dem Eckhaus Duterte-Tassen, -Aufkleber und -T-Shirts. Eine lebensgroße Pappkopie Dutertes lädt zum Selfie ein.
Im Crystal Meth-Rausch
Jüngsten Umfragen zufolge begrüßen landesweit 84 Prozent seinen „Krieg gegen die Drogen“. Viele teilen die unentwegt getrommelte Botschaft, Drogenkonsum und -handel seien das zentrale Problem des Landes.
Der Bauer Gilbert konsumierte hier schon vor Jahren Crystal Meth. Die auf den Philippinen als Shabu gehandelte Synthetikdroge macht schnell süchtig. Gilbert vernachlässigte seine Familie und macht sich für den Tod seiner noch nicht zweijährigen Tochter verantwortlich: „Statt sie ins Krankenhaus zu bringen, habe ich zuerst an meine Sucht gedacht.“
Bald dealte er im Freundeskreis und wurde von der Polizei erwischt. „Der Polizeichef stellte mich vor die Wahl: Gefängnis, Entzug oder Friedhof.“ Gilbert ließ sich in die kommunale Klinik für Drogenabhängige einweisen.
Die Patienten müssen dort früh aufstehen und werden den ganzen Tag beschäftigt, wie Schwester Eleanor Gabato schildert. Sie müssen ihr Essen selbst kochen, ihre Schlafsäle sauber halten und ihre Wäsche waschen. Straff gezogene Bettlaken und Morgenappell tragen militärische Züge. Mindestens sechs Monate werden Süchtige dort therapiert.
Gefängnisse total überbelegt
Angaben zur Erfolgsquote gibt es nicht, da die Patienten danach dem Gesundheitsministerium für weitere 18 Monate zur Nachbehandlung übergeben werden. Nur wenige bekommen diese Entzugsmöglickeit. Davaos Gefängnisse seien zu 600 Prozent überbelegt, sagt die Sozialforscherin Mags Maglana. Sie diagnostiziert ein völliges Versagen der Justiz. So endeten viele im Visier der Polizei auf dem Friedhof.
Für über 2.000 der bisher rund 6.000 Todesopfer von Dutertes inzwischen landesweitem Drogenkrieg übernimmt die Polizei die Verantwortung. Auch wer sich freiwillig stelle, sei keineswegs sicher, kritisiert Maglana.
Die Sozialarbeiterin Cherry Ann Malencion aus der Rehabilitationsklinik glaubt nicht, dass die Polizei absichtlich töte: „Sie schießen nur zurück. Drogensüchtige sind geisteskrank. Will man sie festnehmen, wehren sie sich.“ So ähnlich steht es auch in den Polizeiprotokollen, deren Wahrheitsgehalt fast nie überprüft wird.
Die Sozialarbeiterin schwärmt, wie sicher die Stadt geworden sei. „Früher konnte man nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr unterwegs sein, ohne überfallen zu werden.“ Inzwischen setzt Dutertes Tochter Inday Sara als neue Bürgermeisterin die Politik ihres Vaters hier fort. Auch die Entzugspatienten befürworten die harte Hand gegen Süchtige.
Armut als größtes Problem
Bauer Gilbert schränkt ein: „Man muss sie nicht gleich umbringen.“ Bernie Mondragon, der in Davao eine Kinderrechtsorganisation leitet, sieht Dutertes Vorgehen kritisch: „Viele Kinder werden so zu Waisen.“ Die Armut sei das größte Problem. „Die meisten dealen, weil sie ihre Familien durchbringen müssen.“
Menschenrechtsaktivisten wie er sind Duterte ein Dorn im Auge. Sollten sie seinen Drogenfeldzug behindern, würden auch sie getötet, drohte er. Während sich die einen sicher fühlen, haben jetzt nicht nur Kriminelle Todesangst.
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