: Anti-Angst-Test
HumangenetikerInnen und MedizinerInnen haben in den letzten Jahren den Ängsten und Ambivalenzen von schwangeren Frauen bestimmte Namen gegeben. Sie übertrieben vielfach die „genetischen Risiken“, halfen, gesellschaftliche Klischees über Behinderung weiter zu verfestigen und zu „Gefahren“ für werdende Eltern umzudeuten. Dabei ist das Down-Syndrom nicht wegen des Schweregrads der Behinderung, sondern vor allem aufgrund seiner relativ einfachen diagnostischen Zugänglichkeit zum Symbol für vermeidbare Behinderung schlechthin geworden. Angst wurde geschürt, um dann ein lukratives „Anti-Angst-Programm“ anzupreisen. Dabei vermischen sich Geschäfts- und Profilierungsinteressen von einigen Humangenetikern und Medizinern mit eugenischen Argumenten. Nun genügt dieser Bluttest mit seiner diagnostischen Ungenauigkeit nicht einmal heute üblichem medizinischem Standard. Selbst die Betreiber geben unter der Hand zu, daß der Test noch nicht ausgereift ist. Aber die Kasse stimmt: 150DM bringt der Triple-Test, 400DM die Fruchtwasseruntersuchung.
Allerdings gingen diese Rechnungen alle dann nicht auf, wenn Frauen selbstbewußter mit sich und ihrer Schwangerschaft umgingen. Doch aus Angst und Sicherheitsdenken wird schnell und ohne viele Nachfragen jeder medizinische Firlefanz mitgemacht oder sogar von den betreuenden Frauenärzten eingefordert. Dieser Bluttest ist ein solcher folgenreicher Firlefanz, der nicht Sicherheit, sondern die Verunsicherung der Schwangeren fördert. Es ist zu befürchten, daß ihn immer mehr Frauen machen lassen, ohne über die Konsequenzen aufgeklärt zu sein oder sie mitzudenken. Viele hoffen, diesen Test für sich nutzen zu können, um bereits pränatal mehr Kontrolle über ihr Kind zu bekommen. Doch oft werden sie dabei selbst zu Objekten von Daten, Zahlen und Interpretationen der Experten. Die Wahrscheinlichkeitsberechnungen eines Computers werden zum Gradmesser der Gefühle zur eigenen Schwangerschaft. Was sich erst einmal als komplikationslose Blutuntersuchung darstellt, kann den Dialog der Schwangeren mit ihrem Kind im Leib empfindlich stören und die Schwangerschaft zum Dauerstreß werden lassen, beispielsweise durch wochenlanges Warten auf den Befund, durch eine Fehlgeburt, provoziert durch die Fruchtwasseruntersuchung oder durch die schwierige Entscheidung eines Abbruchs bei einem „postiven“ Ergebnis. Denn alles Gerede vom gesunden oder gar perfekten Kind verdeckt, daß es die schwangere Frau ist, die letztendlich diesen „normabweichenden Fötus“ aus ihrem Leib mit Hilfe von wehenfördernden Medikamenten stoßen muß, häufig zu einem Zeitpunkt, wo sie bereits Kindsbewegungen gespürt hat. Und sie ist es auch, die diese traumatische Erfahrung oft allein und ohne gesellschaftliches Verständnis verarbeiten muß. Tests, die gesunden Nachwuchs versprechen, lassen sich besser verkaufen, wenn die Konsequenzen sprich Schwangerschaftsabbruch gesellschaftlich tabuisiert werden. Eva Schindele
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen