Antennenfernsehen startet: Aufgezwungene Technik

Der Sendestandard DVB-T wird im Norden eingestellt. DVB-T2 bringt bessere Bilder und mehr Sender, aber auch Kosten und Elektroschrott

Schöner abhängen: Das Antennenfernsehen soll durch DVB-T2 noch attraktiver werden Foto: Christoph Schmidt/dpa

Das neue Antennenfernsehen DVB-T2 startet am Mittwoch den Regelbetrieb in den norddeutschen Ballungsräumen. Bis Mitte 2019 werden auch die letzten Sender auf dem platten Land umgestellt sein. Den VerbraucherInnen und der Umwelt bringt die Umstellung nicht nur Vorteile: Wer bisher das Antennenfernsehen DVB-T nutzt, kann zwar in Zukunft mindestens 40 Programme in moderner HD-Qualität empfangen, und damit die technischen Eigenschaften neuer Fernseher ausschöpfen – dafür werden seine alten Geräte zu Elektroschrott.

„ARD, ZDF und die großen privaten Programmveranstalter haben sich gemeinsam entschieden, die Fernsehverbreitung über Antenne als eine für die ZuschauerInnen einfach zu handhabende und kostengünstige Empfangsmöglichkeit weiterzuentwickeln“, sagt Ralf Pleßmann vom Norddeutschen Rundfunk. Vier Wochen lang wird es noch möglich sein, ARD, ZDF und NDR über DVB-T zu schauen.

Für den neuen Standard müssen ZuschauerInnen neue TV-Geräte oder Receiver kaufen. Außerdem sind private Sender ab Juli nur noch kostenpflichtig zu empfangen – mit dem Programmpaket „Freenet TV“ für monatlich 5,75 Euro.

In Niedersachsen nutzen etwa 380.000 Haushalte ­DVB-T. In Schleswig Holstein sind es 180.000, in Hamburg 170.000 und in Bremen 70.000. Die hochgerechneten Zahlen gehen auf den Digitalisierungsbericht der Landesmedienanstalten für das Jahr 2016 zurück. Wie viele ZuschauerInnen auf DVB-T2 umrüsten oder auf andere Empfangswege wie Kabel oder Satellit umsteigen, wird aus dem Bericht für 2017 hervorgehen.

Der Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete Stephan Jersch von den Linken findet es zwar gut, dass auf moderne Technik und neue Frequenzen umgesattelt wird, dass die Leute sich neue Geräte anschaffen müssen, kritisiert er aber: „Es gibt Leute, die keine 60 oder 70 Euro haben, um sich einen Receiver anzuschaffen.“ Insbesondere für Transferleistungsempfänger stelle das ein Problem dar.

Und auch andere VerbraucherInnen haben teilweise Nachteile durch die Umstellung. Annabel Oelmann von der Verbraucherzentrale Bremen kritisiert unglücklich gewählte technische Begriffe wie „DVB-T2 HD“, die für viele Menschen unverständlich sind. Bei der Verbraucherzentrale Hamburg gab es ebenfalls Anfragen zur Umstellung. „Mehrere beschwerten sich, dass sie nun Investitionen haben, weil sie ihre Geräte nicht mehr nutzen können“, sagte Anneke Voß, Fachbereichsleiterin für Medien.

Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe lehnt die neue Technik ab: „Das ist in höchstem Maße bedenklich.“ Millionen funktionsfähiger Geräte verwandelten sich zu Elektroschrott und der neue Standard werde den VerbraucherInnen aufgezwungen, auch wenn sie keine HD-Qualität brauchten. „Das ist so etwas wie geplante Obsoleszenz“, sagte Fischer. Technisch sei es möglich, alte Geräte umzurüsten, das werde allerdings nicht angeboten.

Millionen funktionsfähiger Geräte verwandeln sich in Elektroschrott

Rasmus Andresen, Abgeordneter der Grünen in Schleswig-Holstein, kritisierte die Entscheidung zur Umstellung von Bundesminister Alexander Do­brindt (CSU) als „hastig und übereilt“. Außerdem gebe es kein Konzept für den anfallenden Elektroschrott. Das niedersächsische Umweltministerium verwies auf das Elektrogesetz, das regelt, dass alte Geräte im Handel kostenlos zurückgegeben werden können.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.