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Archiv-Artikel

Anschlussfähig

MUSIK Brandt Brauer Frick haben eine Technospielart entwickelt, die es bis auf die klassischen Bühnen geschafft hat. Auf seinem neuen Album, „Miami“, huldigt das Berliner Trio auch dem Song

VON STEPHANIE GRIMM

Auf Festivals, in Technoclubs, auf Jazztagen und mit ihrem zehnköpfigen Ensemble auch in Konzerthäusern: In den vergangenen zwei Jahren konnte man das Berliner Trio Brandt Brauer Frick an ganz unterschiedlichen Orten erleben. Mit ihrem Ende 2010 veröffentlichten Debüt „You Make Me Real“ haben die drei Musiker ihre ganz eigene Mischung aus Elektronik, neuer Klassik und Jazz geschaffen. Dabei hat sich ihr repetitiver Sound aus analogen Instrumenten und Samples als so anschlussfähig erwiesen, dass sie damit seither über 200-mal aufgetreten sind – und das eben auf den unterschiedlichsten Bühnen.

Zum Interviewtermin anlässlich des neues Albums „Miami“ haben Paul Frick, Jan Brauer und Daniel Brandt in ihr kuscheliges Neuköllner Studio geladen und freuen sich trotz der winterlichen Tristesse vor der Tür, dass sie mal ein paar Wochen in Berlin sein dürfen. „Zwei Jahre waren wir permanent unterwegs“, erzählt Brauer: „Irgendwann stellt sich ein babylonisches Gefühl ein. Wo wir auch hingekommen sind: Die Leute waren am Feiern. Drei Stunden später saßen wir wieder todmüde am Flughafen. Diese Schwankungen zwischen total geil und Endzeitstimmung finden sich auf „Miami“ wieder.“

Tatsächlich enthält das Album im Vergleich mit den formal strengen Vorgängern – ihre zweite Veröffentlichung „Mr. Machine“ zum Beispiel war eine reine Ensembleplatte – reichlich atmosphärische Brüche und Tempiwechsel. Ein elegischer Opener namens „Miami Theme“ wird abgelöst von dem zunächst entspannten Groove von „Ocean Drive“, der sich dann hysterisch hochschraubt und schließlich vom nächsten Stück „Plastic Like Your Mother“ in Düsternis geerdet wird.

„Früher haben wir Tracks gemacht, jetzt schreiben wir Songs“, erklärt Brandt. „Eigentlich wollten wir nie funktionelle Tanzmusik machen. Trotzdem haben wir uns anfangs vor allem als Live-Act im Clubkontext gesehen. Durch die unterschiedlichen Konzertformate haben wir viel ausprobiert und sind zu einer Band geworden.“

Bald war der Band klar, dass das nächste Album in eine andere Richtung gehen soll. Zu verbreitet ist in ihren Augen die Neigung, sich auf seinem Ding auszuruhen – und dieses Ding heißt in der Technostadt Berlin eben funktionelle Tanzmusik.

Gebrochene Rhythmen

„Viel mehr geflasht hat uns, was wir in englischen Clubs zu hören bekamen“, sagt Paul Frick. „Dieser Einfluss hat dazu geführt, dass unsere Rhythmen gebrochener geworden sind.“ Das Leben und Arbeiten in Berlin finden sie zwar super, doch „wegen der Musikszene sind wir nicht hergekommen“, sagt Brauer, und Frick ergänzt leicht genervt: „Es gibt in Berlin zu viele Leute, die zu viel über sich nachdenken und irgendeinem Image entsprechen wollen. Das führt zu Langeweile.“

Als die drei anfingen, zusammen Musik zu machen, wohnten Brandt und Brauer noch in Köln und Wiesbaden. Erst anderthalb Jahre später sind sie hergezogen. Frick dagegen ist in Berlin aufgewachsen, musste aber, wie er mal in einem Interview erklärte, „acht Jahre Komposition studieren, um Techno zu mögen“.

Weil sie nicht in der Nische ihres so anschlussfähigen Intelligent Techno ersticken wollen, haben Brandt Brauer Frick die Zusammenarbeit mit anderen Künstlern gesucht. Auf fast allen Tracks sind Gastsänger und -sängerinnen zu hören: Om’Mas Keith zum Beispiel, der unter anderem Frank Oceans Album „Channel Orange“ produziert hat und der die Band auf Tour begleiten wird. Oder Gudrun Gut, seit Jahrzehnten in unterschiedlichen Berliner Subkulturen unterwegs, die für „Miami“ Bodo Elsels Dancetrack „Fantasie Mädchen“ coverte, ein Lieblingstrack der Band bei DJ-Gigs.

Verspielt, verspult

„Die einzige Gemeinsamkeit unserer Kollaborateure ist, dass wir alle gut finden“, erklärt Paul Frick. „Wir wollten ganz unterschiedliche Leute dabeihaben.“ Auf Erika Janunger, eine Innenarchitektin aus Schweden, die vor einigen Jahren mit ihrem selbst produzierten Musik- und Tanzvideo „Weightless“ Aufsehen erregte, sind sie zum Beispiel durch den Tipp eines Bekannten aufmerksam geworden.

So anschlussfähig in unterschiedliche Richtungen wie die atmosphärisch konsistenteren Vorgänger wird das verspielte, verspulte, mal düstere, mal schwelgerische „Miami“ kaum werden. Langweilig wird einem damit aber sicher nicht. Brandt Brauer Frick haben es geschafft, eine Art von Antigebrauchsmusik zu schaffen, die auch beim Vielhören immer neue Facetten offenbart.

■ Brandt Brauer Frick: „Miami“. Erscheint am 11. März (!K7 Records/Alive). Am 7. März um 21 Uhr spielen sie im Berghain