Anschlag auf Wohnhaus: Plötzlich im Kriegsgebiet
Im Bremer Stadtteil Walle wird vor den Räumen eines kurdischen Vereins eine Rohrbombe entdeckt. Die Hintergründe sind unklar. Manche Anwohner haben Angst.
Grauer Teppich, eine Reihe Tische, in der Ecke ein PC: Der Raum des Kurdischen Kulturvereins in Bremen-Walle ist karg eingerichtet. „Zentrum für Beratung und Integration kurdischer Migranten e. V.“ steht auf einem Zettel an der Tür. Davon, dass hier vor drei Tagen, am frühen Samstagmorgen, ein Bombenanschlag versucht wurde, ist nichts mehr zu sehen. „Einsatzfähig“ aber war laut Polizei die „mit Brandbeschleunigern kombinierte Rohrbombe“, geeignet „für eine blitzartige und großflächige Brandausbreitung im Erdgeschoss“. Und: Der unbekannte Täter habe einen Zündversuch unternommen.
Sieben Parteien wohnen in dem Haus, „viele Familien mit Kindern“, sagt ein Nachbar. Es ist der Mann, der Samstagfrüh die Bombe entdeckte. Der Eingangsbereich hat drei Türen, die verdächtige Tüte habe direkt vor der Tür zum kurdischen Verein gestanden. „Ich habe sie etwas geöffnet, darin waren vier Liter-große Flaschen mit einer gelben Flüssigkeit“, sagt er. „Erst dachte ich, es ist vielleicht Alkohol, dann habe ich das Benzin gerochen.“ Er rief sofort die Polizei, Bombenexperten entschärften den Sprengsatz. Die Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes ermittelt, die Polizei spricht von „politischer Brisanz“. Mehr ist von offizieller Seite nicht zu erfahren – aus „ermittlungstaktischen Gründen“.
Durch die Fensterscheibe des Ladenlokals ist an der hinteren Wand die Flagge der Autonomen Region Kurdistan zu sehen, wie sie auch im Nordirak verwendet wird. Zwei Männer stehen hinter der Tür, unterhalten sich. Auch sie hätten von der Bombe erst durch die Polizei erfahren, wollten nicht über den versuchten Anschlag sprechen. „Wir wissen auch nicht mehr.“
Über eventuelle Hintergründe kann bisher nur spekuliert werden. Der aufmerksame Nachbar ist selbst Kurde, stammt aus der Türkei. Mit dem Verein habe er kaum zu tun, die Mitglieder kämen hauptsächlich aus Syrien, sagt er. Eigentlich sei in den Räumen nur wenig los, Samstags, ja, oder wenn Hochzeiten oder Familienfeste gefeiert würden.
„Es sind keine Freunde Assads“, sagt er auch. Und dass er vermutet, der Konflikt zwischen dem syrischen Diktator Baschar al-Assad, den syrischen Rebellen und den Kurden sei in Deutschland angekommen.
Direkt gegenüber ist ein weiteres Ladenlokal, eine Kneipe, verschlossen. Türken und Kurden sollen sich hier treffen, Italiener und Deutsche. Nachbarn sagen, abends sei hier viel los, es komme zu auch mal zu Schlägereien. Die Polizei sei schon mehrfach da gewesen. Am 6. Januar etwa gab es einen SEK-Einsatz, wohl wegen illegalen Glücksspiels. Eine Anwohnerin denkt, die Bombe könnte auch damit zu tun haben. Dass es Neonazis gewesen sein könnten, daran glaubt hier niemand. Im Haus aber wollen nun einige wegziehen.
Der aufmerksame Nachbar glaubt auch nicht, dass es türkische Faschisten, die „Grauen Wölfe“, gewesen sein könnten – trotz der zeitlichen Nähe zum kurdischen Neujahrs-Fest Newroz. Dennoch herrsche auch in den anderen kurdischen Vereinen, mit denen er gesprochen habe, große Verunsicherung. „Ich habe Angst“, sagt er, „dass noch mal so etwas passiert.“
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