Anschläge in Afghanistan: Rätselraten um Hintermänner

In afghanischen Kandahar kommen beim schwersten Attentat seit Monaten Dutzende Menschen ums Leben. Die Taliban distanzieren sich von dem Anschlag.

Das Fahrzeug, in dem der Jusitzbehördenchef von Kundus starb: Wird der Terror nie ein Ende haben? Bild: dpa

KABUL taz | Kaum schien nach der afghanischen Präsidentschaftswahl am 20. August wieder etwas Ruhe eingekehrt zu sein, wurde das südafghanische Kandahar am Dienstagabend nach Einbruch der Dunkelheit vom schwersten Anschlag seit Monaten heimgesucht. Die Zahl der Opfer scheint immer noch zu steigen.

Am Nachmittag war die Zahl - laut afghanischem Innenministerium - auf 43 Tote und 65 schwer Verletzte gestiegen, darunter Kinder und Menschen auf dem Weg in die Moschee.

In der islamischen Welt wird derzeit der heilige Fastenmonat Ramadan begangen. Der örtliche Polizeichef Ghulam Ali Wahdat sprach deshalb von einer "antiislamischen Tat", von "Tieren" begangen. Auch Präsident Hamid Karsai beschuldigte indirekt die Taliban. Er sprach von "Feinden des Friedens", seinem Kodewort für die bewaffneten Islamisten.

Wem der Anschlag galt, ist unklar. Zwar erklärte ein Rot-Kreuz-Sprecher, Ziel seien Büros internationaler Organisationen gewesen, aber auch der Sitz des Kandaharer Provinzrats, an dessen Spitze der umstrittene Präsidentenbruder Ahmad Wali Karsai steht, liegt in der Nähe des Anschlagorts.

Fest steht nur: Auf Zivilisten nahmen die Täter keinerlei Rücksicht. Eine Agentur meldete, ein Taliban-Sprecher habe bestritten, dass seine Organisation für den Anschlag verantwortlich sei. Das stünde auch im Widerspruch zum Regelbuch, der sogenannten Layha, die im Namen des Taliban-Chefs Mullah Muhammad Omar jüngst in überarbeiteter Form an alle Kämpfer verteilt wurde. Darin wird ausdrücklich angemahnt, die Zivilbevölkerung zu schonen.

Aber Omar kontrolliert bei weitem nicht alle Taliban-Subkommandeure und kann die Layha nicht überall durchsetzen. Dass allerdings jemand im Taliban-Kernland seinen Weisungen zuwiderhandelt, verweist auf mächtige Hintermänner. Es ist bekannt, dass vom pakistanischen Geheimdienst ISI und auch von iranischen Quellen finanzierte Freelance-Kommandeure in Afghanistan unterwegs sind.

Der ISI soll vor den Wahlen Taliban-Kommandeure, die über die Wahlen Frieden halten wollten, unter Druck gesetzt haben, über die Grenze zu gehen und den Urnengang zu stören. Trotz weit über 300 Zwischenfällen am Wahltag - nie zuvor waren an einem Tag mehr registriert worden - blieb der ganz große Knall aus. Das wurde nun nachgeholt.

Auch ein Zusammenhang mit dem Drogenhandel ist nicht auszuschließen. Wali Karsai wird immer wieder beschuldigt, daran maßgeblich beteiligt zu sein. Bereits zweimal in diesem Jahr wurden Sprengstoffanschläge auf ihn verübt, die er bisher immer unbeschadet überstand.

In einem weiteren Zwischenfall wurde am Mittwoch in Kundus im Einzugsbereich der Bundeswehr der Chef der örtlichen Justizbehörde durch eine Bombe in seinem Auto getötet.

In Kabul hat unterdessen die unabhängige Wahlkommission, die gestern die ersten Zwischenergebnisse veröffentlichte, ihre Übung in Transparenz wieder beendet. Alle Ergebnisse wurden von ihrer Webseite genommen.

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