Anradeln auf der Charlottenstraße: „Allet nur grüne Klientelpolitik“

Es riecht nach Farbe. Die Charlottenstraße ist Berlins neue Fahrradstraße. Ein erstes Teilstück ist fertig. Unsere Autorin fuhr schon mal Probe.

Bettina Jarasch (M, Bündnis 90/Die Grünen), Berliner Senatorin für Umwelt, Verkehr, Klima- und Verbraucherschutz, fährt zur Eröffnung mit dem Fahrrad durch die neue Fahrradstraße in der Charlottenstraße zwischen Unter den Linden und Leipziger Straße. Auf dem Straßenabschnitt am Gendarmenmarkt weisen Markierungen, Schilder und Piktogramme darauf.

Bettina Jarasch (Mi.) fährt zur Eröffnung durch einen Teil der Fahrradstraße in der Charlottenstraße Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

BERLIN taz | Montag, kurz vor 9 Uhr: Es ist nasskalt, Straßenarbeiter mit orangegelben Westen wuseln auf der Straße herum, Verkehrshütchen werden neben frisch gemalte Spuren gestellt. Es riecht nach Farbe. Grün und weiß sind die Markierungen, die die Charlottenstraße in Mitte als neue Fahrradstraße ausweisen. Der nördliche Abschnitt zwischen Unter den Linden und der Taubenstraße ist fertig, der mittlere Teil bis zur Mohrenstraße wartet auf Vollendung, im südlichen Teil, der an der Leipziger Straße endet, ist außer ein paar dünnen Linien auf dem Asphalt noch nichts zu sehen. Ein Polizist, Hände in den Taschen, schaut den Arbeitern zu. Wie er das findet? „Is doch allet nur grüne Klientelpolitik“, sagt er.

Wenige Minuten später: An der Ecke Unter Linden hat sich eine Menschentraube gebildet. Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch und die Verkehrsstadträtin von Mitte, Almut Neumann, (beide Grüne) haben zum „Anradeln“ eingeladen. Ab sofort haben Radfahrer hier Vorrang, sie dürfen die gesamte Fahrbahn benutzen und auch nebeneinander fahren. Nur Lieferanten und Anlieger dürfen die Straße noch mit dem Auto in die Charlottenstraße – zu Letzteren gehören auch Menschen, die ein Parkhaus ansteuern.

Die Charlottenstraße sei Teil des Radvorrangnetzes, „an dem wir mit Hochdruck arbeiten“, sagt Jarasch. 890 Kilometer seien es insgesamt. Wo denn der Anschluss an dieses Netz sei, erkundigt sich ein Radfahrer, der sich unter die Journalisten gemischt hat. Hier in der Charlottenstraße sei ein Teil fertig, windet sich Jarasch um die Antwort herum. Alle seien eingeladen, sich das Gesamtnetz einmal auf der Webseite ihrer Verwaltung anzusehen. Mit der Charlottenstraße hätten Radfahrer nun eine Alternative zur Friedrichstraße.

Das ist das Stichwort: Wann die geplante Fußgängerzone auf der Friedrichstraße denn nun komme? Das Thema interessiert die Anwesenden eindeutig mehr als die Charlottenstraße. Das Verwaltungsgericht hatte am 24. Oktober die Sperrung eines rund 500 Meter langen Teilstücks zwischen Französischer und Leipziger Straße für rechtswidrig erklärt. Ab Mittwoch wird dieser Abschnitt wieder für den Kfz-Verkehr freigegeben.

Gründlichkeit schlägt Schnelligkeit

Aber nur vorübergehend. Die Fußgängerzone auf der Friedrichstraße werde kommen, versichert Jarasch, Ende des Jahres oder zu Jahresbeginn, „Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit“. Auf einen Tag will sich die Senatorin nicht festlegen. Ihre Pressesprecherin verweist darauf, dass das Verfahren zur dauerhaften Umwidmung der Friedrichstraße in eine Fußgängerzone läuft und die Veröffentlichung der Umwidmung im Amtsblatt bis Jahresende angestrebt werde.

Auf der Charlottenstraße herrscht derweil ziemliches Chaos. Autos irren durch die Gegend, weil die Einbahnstraße mal gen Süden, mal gen Norden ausgerichtet ist. Zwischendrin die Straßenarbeiter und mehrere zur Überwachung der neuen Regelung eingesetzte Polizisten. „Bitte wenden, zurückfahren“, forderten sie die verwirrten Fahrer auf.

Bis sich die Charlottenstraße als Fahrradstraße eingespielt habe, werde man die Polizei brauchen, hat Jarasch kurz zuvor gesagt. Denn für den fließenden Verkehr sei das bezirkliche Ordnungsamt nicht zuständig, so Stadträtin Neumann. Eine Stunde später sind die Polizisten allerdings schon verschwunden.

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