Anonymous greift Gema an: "Leider ist Gema nicht verfügbar"
Die Website der Gema wird derzeit von einer Cyber-Guerilla attackiert und ist nicht erreichbar. "Anonymous" ergreift damit Partei für Youtube.
Eine Attacke mit Ansage - am Freitag erklärte das Internet-Kollektiv Anonymous der Gema den Krieg. Codename: Operation Gema. Wenige Stunden später war die Website der "Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte" nicht mehr erreichbar.
Anonymous ergreift mit der Aktion Partei für das Video-Portal Youtube. Die deutsche Rechteverwertungsgesellschaft Gema und Youtube streiten erbittert um Lizenzabgaben, die die Gema erzwingen will. Die Verwertungsgesellschaft verlangt 12 Cent pro Aufruf eines Musikvideos. Der Suchmaschinenkonzern Google ist Eigentümer von Youtube. Gäbe Google im Streit nach, wäre Youtube keine Einnahmequelle mehr, sondern ein Zuschussgeschäft.
Noch während der Verhandlungen verklagte die Gema Google, weil Youtube ein Dutzend Videos, die nach Ansicht der Verwertungsgesellschaft rechtlich geschützt werden müssen, nicht schnell genug entfernt hatte. Alle Gespräche über einen Kompromiss scheiterten bis jetzt. Die Atmosphäre ist vergiftet.
Angriff auf die Netzneutralität
In einem Bekennervideo erklärt Anonymous: "Wir beobachten mit Sorge eure überhöhten Forderungen bezüglich urheberrechtlich geschützten Materials auf Youtube und anderen Plattformen dieser Art". Die Cyberguerilla-Gruppe sieht die Aktion der Gema als Angriff auf die Netzneutralität. "Wir haben keine Probleme damit, dass sie versuchen den Plattenfirmen und Künstlern einen Gewinn zu verschaffen. Dabei stehen sie sich aber selbst im Weg und dadurch auch den Künstlern."
Künstler bräuchten die frei verfügbaren Videos als kostenlose Werbung. Der Versuch der Gema, über Internet-Sperren Plattenfirmen und Künstlern einen Gewinn zu kommen zulassen, ist nach Ansicht von Anonymous kontraproduktiv. Anonymous verbreitet zusammen mit dem Video Links zu Programmen und Scripten, mit denen man auch in Deutschland Videos bei Youtube ansehen kann, auch wenn das nicht vorgesehen ist. Wer ohne Hilfe dieser Tools ein geschütztes Videao anschauen will, erhielt bis jetzt die Meldung : "Leider ist dieses Video [...] in Deutschland nicht verfügbar, da die Gema die Verlagsrechte hieran nicht eingeräumt hat."
Man konnte diese Sperren bei Youtube zwar schon immer umgehen, den technisch unbedarften Internet-Nutzern war das aber weitgehend unbekannt. Die deutschen Mitglieder von Anonymous wollen dieses Wissen jetzt weit verbreiten, um das Ansinnen der Gema zu unterlaufen. Die Gema arbeitet zur Zeit noch daran, die Attacke aus dem Internet abzuwehren. Die Ursache ist vermutlich ein so genannter Distributed-Denial-of-Service-Angriff - ein mutwilliger Angriff vieler Rechner, die den Server der Gema mit sinnlosen Anfragen bombardieren, bis der unter der Last der Bits und Bytes in die Knie geht.
Martialische Töne
Da die IT-Abteilung der Gema trotz der Ankündigung am Wochenende nur mit einem Notdienst arbeitete, war die Website der Verwertungsgesellschaft mehrere Tage nur sehr schlecht oder gar nicht mehr erreichbar. Bettina Müller, die Unternehmenssprecherin der Gema, bestätigte der taz auf Anfrage, dass die Rechner der Gema nicht gehackt wurden.
Im Bekennervideo von Anonymous geht es martialisch zu: "We are Anonymous. We are Legion. We do not forgive. We do not forget. Expect us!" heißt es. Wenn die Gema nicht einlenke, "sehen wir uns gezwungen, weitere Maßnahmen einzuleiten." In der Vergangenheit hat Anonymous nicht nur den Server des iranischen Außenministeriums gehackt und dort Tausende von E-Mails erbeutet, sondern auch andere Internet-Präsenzen durch DOS-Angriffe zeitweilig aus dem Verkehr gezogen.
Ziel der erfolgeichen Attacken waren Neonazi-Websites, die der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU), Sony sowie Unternehmen, die die Internet-Zensur in der Türkei umsetzen. Diese Drohung ist also ernst zu nehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Lateinamerika und Syrien
Assads Freunde