Analyse: Annäherung
■ Argentiniens Präsident Menem besucht erstmals Großbritannien
Wenn Argentiniens Präsident Carlos Menem heute ins Flugzeug nach London steigt, betritt er dort nach seiner Ankunft keinen feindlichen Boden mehr. Die Beziehungen zwischen Großbritannien und Argentinien haben sich 16 Jahre nach dem Krieg um die Falklandinseln (Malvinas) normalisiert. Dennoch, ein ganz normaler Staatsbesuch wird es nicht. Denn obwohl 1990 die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern wieder aufgenommen wurden, ist es der erste Besuch eines argentinischen Präsidenten nach dem Ende des Krieges. Schon im Vorfeld machten die Briten klar, daß das Thema Falklands nicht auf der Tagesordnung stehen werde. Um Schönwetter zu machen, hat Menem daher vor seiner Abreise die Opfer des Falkland-Krieges bedauert. Vergessen sind seine Parolen von seinem ersten Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 1989, als er ankündigte, alles tun zu wollen, um die Inseln zurückzuholen.
Damit fütterte er vor allem nationalistische Instinkte von Teilen der argentinischen Bevölkerung. „Las Malvinas son Argentinas“ – „Die Malvinen sind argentinisch“ ist keine seltene Parole an den Häuserwänden der Hauptstadt Buenos Aires. Und tatsächlich ist der Krieg in Argentinien noch nicht vergessen. Viele Menschen sind der Ansicht, die Falklands gehörten zu Argentinien. Genährt wird dies auch von einer unverständlichen Politik seitens Großbritanniens: Noch immer darf kein Argentinier seinen Fuß auf die Inseln setzen, noch immer darf kein Flugzeug mit argentinischem Kennzeichen dort landen. Angehörige von auf den Falklands gefallenen Soldaten dürfen nur in Kontingenten an zuvor vereinbarten Besuchstagen einreisen.
Daß die Briten den Falkland-Krieg gewonnen haben, nehmen ihnen viele Argentinier heute noch übel. Sie fühlen sich als das unschuldige Opfer einer bis unter die Zähne bewaffneten Kriegsmaschine. Doch in Wirklichkeit haben die argentinischen Juntageneräle, die zwischen 1976 und 1983 in dem Land wüteten, die Briten unterschätzt, als sie ihnen den Krieg erklärten. Der Krieg kam den Generälen gelegen. Als sich die Stimmung langsam gegen die Militärdiktatoren in Argentinien gewandt hatte, zettelten sie den Falkland-Krieg an, und prompt stand die Bevölkerung wieder hinter ihnen. Die Junta hatte sich noch einmal gerettet – kurzfristig.
Denn mit dem verlorenen Krieg waren die Militärs endlich komplett diskreditiert und mußten abdanken. Die Falklands, eine einsame Inselgruppe, nicht weit vom Südpol entfernt, bleiben britisch. Ihre Bewohner, die 2.200 Kelper, wollen es auch so. Sie leben gut von den Subventionen aus Großbritannien, haben einen europäischen Paß und können sich jederzeit nach Großbritannien absetzen, wenn sie den Inselkoller kriegen. Ingo Malcher
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