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Anna FastabendMidlife MonologeKleine Äffchen und ihr Bedürfnis nach Selbstausdruck

Foto: Fo­to:­ Karolina El Lobo

A und ich sitzen in meiner kleinen Küche und frühstücken. Es ist Sonntag früh und in anderthalb Stunden muss er zum Zug. Wir haben feinsten Käse auf dem Tisch, aber ich kann ihn nicht genießen. Meine Gedanken kreisen um eine Reaktion auf die letzte Kolumne, die mich traurig gemacht hat. Hätte ich es besser machen können? War es missverständlich? Fehlte was? Ich grübele laut vor mich hin, aber komme zu keinem Ergebnis. A. setzt zu einem Befreiungsversuch an. „Ich weiß, es wird dich jetzt provozieren“, sagt er, während er eine fette Scheibe Rohmilchkäse abschneidet. „Wir sind aber alle bloß kleine, flauschige Affenwesen, die glücklich sein wollen.“ Ich beobachte, wie er genüsslich in den Käse beißt, und denke, du blöder Hippie. Ich sage: „Mich macht aber nicht Nacktbaden am FKK-Strand glücklich, so wie dich, sondern Schreiben“ – auch wenn das natürlich nur die halbe Wahrheit ist. Denn alles, was man sehr liebt, das macht einen ja manchmal auch sehr fertig.

Das war eigentlich auch damals schon so, beim Gameboyspielen: „Zelda“, „Super Mario“, „Kirby“… Es gibt da dieses Urlaubsfoto, da stehe ich mit meinen Geschwistern vor dem Balkongeländer, hinter uns das glitzernde Meer. Die drei sehen aus wie verbrannte Grillwürstchen, ich wie eine Tube Mayo, weil ich in jenem Sommer lieber von Level zu Level gesprungen bin, als in der Sonne herumzulungern.

Im Prinzip war ich also schon immer ein Workaholic, nur der Inhalt hat sich über die Jahre verändert. Statt Superpilze und Feuerblumen sammele ich jetzt schriftstellerische Fähigkeiten, Texte und Lob. Und genau deswegen macht A. sich nun Sorgen um mich. Er glaubt nämlich, ich wolle mit meinen Textchen berühmt werden und beute mich dafür aus. „Wie wäre denn dein Leben so – als Star?“, fragt er. „Sicher super!“, sage ich halb im Scherz, aber meine Monstera Monsti zeigt mit einer Luftwurzel vielsagend Richtung Sonne. Meint sie damit jetzt Ikarus oder Vitamin D? Kein Plan, und fragen kann ich sie leider nicht, weil sie gerade mal wieder Schweigefasten macht. Also muss ich mit A. alleine weiterdiskutieren, ob es beim Schreiben jetzt eher um den Wunsch nach Anerkennung oder um ein Bedürfnis nach Selbstausdruck geht. „Anerkennung!“, ruft A. „Selbstausdruck!“, rufe ich und so geht es in einem fort.

Im Prinzip war ich schon immer ein Workaholic, nur der Inhalt hat sich über die Jahre verändert

„Wir haben aber auch noch einen Körper“, sagt A., „und der will lachen und fühlen und sich bewegen.“ Ich verdrehe die Augen und denke darüber nach, warum ich mir eigentlich immer Leute suche, die mich an die frische Luft zerren wollen. Vielleicht ist es ein ausgelagerter Selbsterhaltungstrieb, kommt mir in den Sinn. Egal. Denn jetzt müssen wir wirklich los, wenn A. seinen Zug nicht verpassen will, und ich bringe ihn, weil er das romantisch findet. Wieder auf dem Heimweg kriegt ein verführerisches Stück Rasen mich dann aber doch noch rum und ich lasse mir die Sonne auf den Scheitel scheinen. Gut fühlt sich das an, aber auch ganz schön heiß. Ich überlege, was ich nachher kochen könnte. Besser den frischen Spargel oder lieber die Pasta? Eine Horde flauschige Äffchen springt vorüber, später treffe ich zufällig auf einen Kollegen und wir gehen ein Eis essen. Als ich wieder in meiner Wohnung bin und auf das schmutzige Geschirr vom Frühstück blicke, habe ich das Gefühl, dass dieser Morgen in einer anderen Realität stattgefunden hat. Schreiben heißt auch, das Geschriebene loszulassen, denke ich und fühle mich leicht.

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