■ Anmerkung: Alltägliche Mißverständnisse
Eigentlich wollten wir in dieser intertaz-Ausgabe mit der Glossenserie „Mein ausländischer Freund, unsere Katze und ich“ starten. Drei Probestücke lagen der Redaktion vor. Und die vollmundige Ankündigung der Autorin – „so was lesen die Leute wahnsinnig gern“ – hatte sich in der Tat bewahrheitet. Die Lektüre zog auch uns – Redakteure als Vorkoster – unwiderstehlich in die Untiefen des bikulturellen Alltags. Wir gierten nach mehr. Mehr Mißverständnisse, kleine Schwächen, Unzulänglichkeiten. Mehr gelebte Bikulturalität, die an unseren Vorurteilen kratzt, unser Selbstverständnis kitzelt, unsere Neugierde weckt.
Zum Beispiel die Geschichte mit der Katze. Sie, überaus tierliebe Deutsche, die ihre Füße am liebsten nachts am Tier wärmt. Er, ein Ignorant, der das Tier ständig auf das Klo verbannt. Oder die Geschichte vom Umgang mit dem Bügeleisen. Lehrreich, was die kulturell unterschiedlichen Arten zu bügeln betraf – von links nach rechts, von unten nach oben, verkehrt oder von vorn – spannend was sich dann doch an Konfliktpotential dahinter staute. Oder Familienbesuch. Da prallten die Ansprüche von Gastfreundschaft, Selbstaufgabe und Distanz nur so aufeinander, da purzelten die Widersprüche, da rieben sich die kulturellen Unterschiede. Das macht eben den Reiz einer solchen Serie aus. Neben der schlichten Erkenntnis, das auch Ausländer ganz normale Menschen mit einem langweiligen Alltag sind.
Doch leider mußten wir die Serie streichen. Der bikulturelle Alltag findet nicht statt. Unsere Autorin hat die Stücke nämlich ihrem ausländischen Freund zum Lesen gegeben. Der protestierte heftig, sah seine Privatsphäre an die Öffentlichkeit gezerrt, wollte nicht als ganz alltägliches Anschauungsobjekt allzu menschlicher Unzulänglichkeiten vorgeführt werden. Und drohte gar mit Trennung von der Freundin und Ermordung der Katze. Was der Serie ja eine ganz andere Note gegeben hätte. „Single – auch ich“, vielleicht. Aber das ist ja ein anderes Glossenthema. Für andere Seiten. ed
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