piwik no script img

Anlegerschutz-Initiative"Marktwirtschaft auf Steinzeitniveau"

Wissen Sie, was Ihr Bankberater für seine letzte Geldanlageempfehlung kassiert hat? Verbraucherschützer wollen über diese und andere Fragen aufklären.

Hinter der sonnigen Beratung steckt oft Abzocke. Die Verbraucherzentralen wollen Licht ins Dunkel bringen. Bild: dpa

BERLIN taz | Obwohl die Rechtslage eindeutig ist, sind die Vertriebsvergütungen bei Finanzprodukten weiterhin kaum transparent. Deshalb wollen Verbraucherschützer nun Druck machen. Am Mittwoch starteten sie die "Initiative Finanzmarktwächter". Diese soll den Finanzmarkt stärker ins Visier nehmen - und als erstes das Provisionsgeschäft untersuchen.

Bankberatungen sind für die Kunden auf den ersten Blick kostenlos. Finanziert werden sie über die Provisionen, die die Anbieter den Banken für den Verkauf ihrer Finanzprodukte zahlen - Kosten, die sie allerdings auch wieder auf ihre Kunden umlegen, so dass der Anleger letztlich doch zahlt. Dieses Provisionssystem bedeutet aber vor allem, dass das Interesse des Beraters in erster Linie darin besteht, die Anlage mit der höchsten Provision zu verkaufen statt die, die am besten zur Situation des Kunden passt. In Großbritannien beispielsweise sind provisionsgetriebene Beratungen deshalb ab 2013 verboten. Hier sollen die Kunden künftig ein einheitliches Honorar zahlen.

Die Bundesregierung hat sich gegen eine solche Vorgabe entschieden. Aber das Wertpapierhandelsgesetz schreibt zumindest vor, dass die Verbraucher erfahren sollen, welche Vergütungen die Geldinstitute für die Vermittlung von Anlagen erhalten.

"Hinter dem Rücken des Kunden" vereinnahmte Provisionen

Mehrere Urteile des Bundesgerichtshof bestätigen, dass die Banken "eine Aufklärungspflicht über hinter dem Rücken des Kunden" vereinnahmte Provisionen haben. Die Verbraucherzentralen sind sogar der Meinung, dass die Provisionen an den Kunden zurückgezahlt werden müssen. "Wir würden gerne eine Musterprozess führen", sagt Dorothea Mohn, Finanzexpertin beim Verbraucherzentralen Bundesverband (vzbv).

Zunächst einmal aber wollen sich die Verbraucherschützer eine empirische Grundlage verschaffen und zugleich die Öffentlichkeit mobilisieren. Die bisherigen Erfahrungen der Verbraucherzentralen deuten darauf hin, dass die Banken durchaus Kreativität entwickeln, wenn es darum geht, die Herausgabe der Informationen zu vermeiden. "Eine klare Auskunft gibt es so gut wie nie", sagt Mohn.

Stattdessen verschleierten die Banken die Zahlen mit ungefähren "bis zu soundsoviel Prozent-Angaben" mit unklaren Bezügen, oder verwiesen auf pauschale Angaben in allgemeinen Broschüren. Den Vogel abgeschossen hat laut Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg die Badische Beamtenbank: Auf die Anfrage eines Kunden nach den Provisionen forderte sie ihn auf, detailliert aufzulisten, um welche Geldanlagen es ging. Sie bot aber auch an, dass für ihn zu übernehmen - gegen eine Gebühr von 40 Euro.

Staat will Finanzbranche nicht überwachen

"Der Staat ist weder willens noch in der Lage, die Überwachung der Finanzbranche zu leisten", sagt vzbv-Chef Gerd Billen. "Das ist Marktwirtschaft auf Steinzeitniveau." Um zu beweisen, dass eine systematische und verbraucherorientierte Markbeobachtung notwendig ist, wollen die Verbraucherschützer deshalb mit ihrer Initiative in Vorleistung gehen. Dabei bündeln der vzbv und die 16 Verbraucherzentralen in den Ländern ihre Kräfte. Nach dem Provisionsgeschäft wollen sie sich auch um die überhöhten Dispozinsen, den laschen Umgang der Banken mit den gesetzlich vorgeschriebenen Beratungsprotokollen bei Anlagegesprächen und mit Kündigungen von Altersvorsorgeprodukten befassen.

Das Ganze bedeutet einen Kraftakt: "Bislang beraten in den Verbraucherzentralen bundesweit 130 Leute in diesem Themenbereich", sagt Irmgard Czarnecki, Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Bremen. "Umgerechnet ist das ein Berater für 130.000 Haushalte." Die Hoffnung der Verbraucherzentralen ist, mit der Initiative so viel Aufmerksamkeit auf die Missstände in der Finanzbranche zu lenken, dass die Bundesregierung nicht umhin kommt, die Finanzierung der Verbraucherzentralen zu verbessern.

Dafür aber müssen diese erst einmal die Fakten sammeln. Dabei wollen sie aus der eigenen Personalnot eine Tugend machen und die Verbraucher beteiligen. Sie rufen alle Anleger auf, ihre Bank um detaillierte Auflistung aller Provisionen und Rückvergütungen zu bitten, die sie im Rahmen ihrer Aufträge bekommen haben. Ein Musterbrief kann unter www.vzbv.de/Finanzmarktwaechter heruntergeladen werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • M
    MDarge

    Falsche Beratung ist doch der geringste Teil des Problems. Wer das Geld hat, hat die Macht über die Regierungen.

     

    Erfreulicherweise haben die Franzosen, die Niederländer und einmal die Iren den EU-Vertrag abgelehnt. Weil sie plötzlich auf einmal Europagegner geworden waren? Eher im Gegengenteil. Vielmehr haben sie den Vertragstext gelesen, der die Kontrolle der Banken nahezu unmöglich macht. Der Vertrag von Lissabon unterscheidet drei Gruppen. 1. EU-Bürger genießen zwar Freizügigkeit, doch gegen Migration dürfen wirksame Barrieren errichtet werden. 2. Waren dürfen dagegen nur in Ausnahmefällen an den Grenzen aufgehalten werden. 3. Die dritte Gruppe ist das Geld. Das darf weder zwischen den Mitgliedstaaten noch im Fluss zu Drittstaaten aufgehalten werden. Das garantiert eine Art Ewigkeits-Klausel. Bei Gesetzen zu Geldströmen zwischen den Staaten hat das Europaparlament kein Mitspracherecht und der Europäische Rat muss einstimmig entscheiden und falls die Entscheidung Finanztransfers behindern könnte, muss dieses Gesetz nach einer gewissen Zeit ebenfalls mit absoluter Mehrheit bestätigt werden.

     

    Wenn man nun vergleicht, wollen viele alte Bäume gar nicht verpflanzt werden. Es kostet, Waren zu transportieren. Nur Geld ist von Natur aus mobil. Ein kluger Herrscher wäre um Ausgleich bemüht. Mit Sprachschulen und Eingliederungshilfen könnte man das Volk mobiler machen. Doch da "Kapital flüchtig wie ein Reh ist", sollte es irgendeine Bremse geben. Keine Kontrolle fordert geradezu zu Missbrauch heraus. Geldwäsche und illegal erworbenes Geld stellen ein weiteres Problem dar. Der EU-Vertrag ist ein Ermächtigungsgesetz für Banken. Die Politik wird zum Grüß-August degradiert.

     

    Ein konkreter Fall ist die West-LB. Der Politik ist es gelungen, das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Doch aus ideologischen Gründen muss es jetzt, zum Schaden der Steuerzahler, zerschlagen werden. In der DDR musste alles verstaatlicht werden, da die Macht in den Händen einer Partei lag. In der EU muss alles zwangs-privatisiert werden, da alle Macht in den Händen des Kapitals liegt. Nur durch die Zwangs-Privatisierung kann das Geld bis in unser Wohnzimmer regieren. Umgekehrt braucht das Kapital Anlagemöglichkeiten, um weiter Rendite zu erzielen. Die Bertelsmänner zeigen wie es geht. Mit der Tochter Avarto wird die kommunale Selbstverwaltung privatisiert.

  • H
    hto

    Marktwirtschaft IST Steinzeitniveau, auch wenn der Zeitgeist des "freiheitlichen" Wettbewerb nun glauben will, daß das "Recht des Stärkeren" nun mit "gesundem" Konkurrenzdenken reguliert wird.

  • H
    Hasso

    Geld abholen und woanders bunkern bis sie wieder Menschen werden!