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Anklage im Fall Azhar

■ 26jähriger Ostdeutscher kommt wegen Überfalls auf pakistanischen Wissenschaftler vor Gericht/ Anklage: Körperverletzung mit Todesfolge

Moabit. Der Name ist nur noch wenigen im Gedächtnis: Mahmud Azhar, pakistanischer Wissenschaftler, gestorben am 6. März dieses Jahres an den Folgen eines Überfalls durch einen Deutschen zwei Monate zuvor. Dem Täter war die Hautfarbe Azhars zu dunkel. Mit dem Fall wird sich nun eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Berlin beschäftigen. Nach Angaben der Justizpressestelle hat die Staatsanwaltschaft nun gegen den Mann Anklage unter anderem wegen Körperverletzung mit Todesfolge, Beleidigung und Hausfriedensbruchs erhoben.

Dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlaß eines Haftbefehls ist die Kammer laut Justizpressesprecherin Burghart jedoch nicht gefolgt. Der Täter, zu diesem Zeitpunkt noch Staatsbürger der DDR, war am Tatort von der Polizei festgenommen, später jedoch wieder freigelassen worden. Der Rechtsanwalt der Angehörigen Mahmud Azhars, Dieter Kierzynowski, will zudem eine Nebenklage anstrengen.

Wie Azhar kurz nach dem Überfall im Krankenhaus gegenüber Freunden zu Protokoll gab, hatte der Mann ihn am Abend des 7. Januar vor seinem Arbeitsplatz an der Freien Universität mit ausländerfeindlichen Parolen wie »Scheiß Ausländer« und »Deutschland den Deutschen« angegriffen und zusammengeschlagen.

Als er daraufhin zurück ins Gebäude flüchtete, um die Polizei zu rufen, riß der Angreifer das Telefonkabel aus der Wand und schlug weiter mit einem Feuerwehrschlauch auf ihn ein. Der Polizei hatte Azhar — offenbar aus Angst vor Repressionen — zuerst nichts von den rassistischen Beleidigungen erzählt. Den Täter in Untersuchungshaft zu behalten, schien dem Haftrichter damals »unverhältnismäßig«. Azhar starb zwei Monate später, am 6. März, laut Obduktionsbericht an einer Lungenembolie infolge der Verletzungen.

Noch im Juli dieses Jahres wollten die Westberliner Justizbehörden die Strafverfolgung des Deutschen durch die DDR-Justiz erledigen lassen, die zu diesem Zeitpunkt bereits mit massiven Zerfallserscheinungen zu kämpfen hatte. Diese Entscheidung war in der Öffentlichkeit scharf kritisiert worden. Mitglieder des »Aktionskomitees Mahmud Azhar«, ein Zusammenschluß von VertreterInnen verschiedener antirassistischer Initiativen, befürchteten, der Mann könnte im Chaos der Auflösung der DDR völlig straffrei ausgehen. Mit dem rasanten Tempo der Vereinigung nicht nur der Deutschen, sondern auch ihrer Justizbehörden hat sich diese Sorge vorerst erledigt. Der Prozeß ist für Dezember angesetzt. Andrea Böhm

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