piwik no script img

Anklage gegen Hamadei–Bruder

■ Abbas Hamadei soll wegen Entführung der deutschen Geiseln vor Gericht / Erklärung von Generalstaatsanwalt Rebmann / Kommunique der Entführer bietet Videoband über eine deutsche Geisel an

Von Beate Seel

Berlin (taz) - Nach einer langen Schweigepause haben sich in den letzten 48 Stunden gleich beide Seiten im Entführungsfall der beiden Deutschen im Libanon, Rudolf Cordes und Alfred Schmidt, zu Wort gemeldet: Die Kidnapper, die die libanesische Geiselnehmer–Szenerie um den neuen Namen „Mudjahedin für die Freiheit“ bereicherten, veröffentlichten erstmals ein Kommunique. Und Generalbundesanwalt Rebmann klagte den in der Bundesrepublik inhaftierten Abbas Hamadei wegen Verschleppung, Nötigung der Bundesregierung und Vergehen gegen das Sprengstoffgesetzt an. Abbas Hamadei ist der Bruder des in einem Frankfurter Gefängnis einsitzenden Mohammed Ali Hamadei, der in der Bundesrepublik wegen Flugzeugentführung und Mord vor Gericht gestellt werden soll und dessen Freilassung die Entführer von Cordes und Schmidt fordern. Rebmann sagte am Donnerstag in Karlsruhe, Abbas Hamadei habe kurz nach der Geiselnahme einen Bekannten in der Bundesrepublik angerufen und diesem gesagt, er habe den Siemens–Manager Cordes entführt. Hamadei, der deutscher Staatsbürger ist, war am 26. Januar auf dem Frankfurter Flughafen festgenommen worden. Vor zwei Wochen hatte die Bundesregierung entschieden, den mutmaßlichen Flugzeug entführer Mohammed Ali nicht an die USA auszuliefern, sondern in der BRD vor Gericht zu stellen. In einem Kommunique der Entführer, das am Mittwoch der libanesischen Zeitung An Nahar zuging, hieß es noch: „Die glückliche Entscheidung, Mohammed Hamadei nicht an die USA auszuliefern, hat uns dazu gebracht, diese Erklärung als eine Geste zu schicken.“ Die Entscheidung Rebmanns, Abbas Hammadei wegen Entführung anzuklagen, wird wohl kaum als „glückliche“ angesehen werden. Um die Bundesregierung zu weiteren positiven Schritten zu ermutigen, bieten die „Mudjahedin für die Freiheit“ der „deutschen Bevölkerung und den Angehörigen der Geiseln eine Video–Kassette mit einer der beiden Geiseln an. Als Gegenleistung verlangen wir eine Video–Kassette von Mudjahed Hamadei, auf der er sein tägliches Leben beschreibt und sich an seine Familie und diejenigen wendet, die gegen Israel und den Imperialismus kämpfen.“ Dabei handelt es sich offenbar um eine Aufnahme des Knastalltags von Mohammed Hamadei, der im Text als „Kämpfer des Islam“ bezeichnet wird. Dem Schreiben war eine Fotokopie des Passes von Rudolf Cordes beigelegt. Bislang war man davon ausgegangen, daß die Entführer der beiden Deutschen in den Kreisen der radikalen, pro–iranischen Hizbollah zu suchen sind, zumal ein weiterer Bruder der Hamadeis ein hoher Funktionär in dieser Gruppierung ist. Die Hizbollah haben bisher jede Beteiligung zurückgewiesen. Doch ist es im Falle von Entführungen oder größeren Anschlägen durchaus üblich, aus Gründen der politischen Opportunität zu Phantasienamen zu greifen. Auch ein ausdrückliches Lob für Syriens Staatspräsident Hafez al Assad im Text der Entführer, deren Name auf religiösen Hintergrund schließen läßt, muß nicht unbedingt bedeuten, daß es sich um eine pro–syrische Gruppe handelt. Denn seit der Geiselnahme haben sich die Beziehungen zwischen Syrien und Iran nicht nur auf libanesischem Terrain verschlechtert; es wäre daher genausogut möglich, daß die Entführer Assad in die Nähe des „Terrorismus“ rücken wollen, um die jüngste Wiederannäherung zwischen Syrien und den USA zu torpedieren. Angesichts des Gewirrs militanter Gruppen und ausländischer Verflechtungen im Libanon bringt das erste Bekennerschreiben im Falle Cordes/Schmidt wenig Aufschluß über die Identität der Kidnapper.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen