Anke Engelke über ihre neue Show: „Ich hasse ungern, ich liebe lieber“
Anke Engelke über Fansein, selbstbesoffene Kollegen, ihre Liebe zur Schreibmaschine und ihre neue Kulturshow „Anke hat Zeit“.
Anke Engelke: Oh, ein Aufnahmegerät mit Kassette. Wie altmodisch. Wie schön. Ich bin ja Schreibmaschinenfan. Manchmal benutze ich die Schreibmaschine meiner Tochter, um damit Briefe zu schreiben.
sonntaz: Was mögen Sie daran?
Wenn das Farbband langsam schwächelt und ich mich vertippe und das dann durchstreiche. Ich mag es, bei vollem Bewusstsein Fehler zu machen. Und schon sind wir bei meiner neuen Sendung.
Weil Sie bei der Premiere viele Fehler gemacht haben?
Nein. Weil es mir Freude macht, Dinge geschehen zu lassen. Fernsehen ist mir zu überformatiert, zu wenig offen dafür, Prozesse zu zeigen, das Entstehen von Momenten, von Stimmungen.
Aber sollte das Fernsehen auch bewusst Misslungenes senden?
Das Titelgespräch mit dem Philosophen Julian Nida-Rümelin über Thomas de Maizière, Rücktritte und Schattenbeamte lesen Sie in der taz.am wochenende vom 27./28. Juli 2013. Darin außerdem: Das Leben von Carlos Rodolfo d’Elia änderte sich, als er seine vermeintliche Mutter in Handschellen fand - erzählt Erwin Koch. Und: Wie Heckler und Koch in den USA Geschäfte macht. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Hin und wieder schon, aber man sollte das nicht kultivieren. Denn damit würde man ja den Dilettantismus feiern. Das interessiert mich überhaupt nicht. Dafür bin ich zu wenig bildende Künstlerin.
In der ersten Sendung Ihrer WDR-Kulturshow „Anke hat Zeit“ fragen Sie die Sängerin Lianne La Havas nach dem älteren Herrn, den sie besingt. Es stellt sich heraus, dass die beiden schon lange kein Paar mehr sind. War Ihnen Ihre mangelnde Vorbereitung nicht peinlich?
Nö, fand ich super.
„Anke hat Zeit“ wirkt recht improvisiert und ist damit das Gegenteil von den durchgeskripteten Veranstaltungen des Eurovision Song Contest, die Sie moderiert haben. Was liegt Ihnen mehr?
■ Was: Bunter Abend aus dem Kölner Stadtgarten. Zu Musik und Talk lädt Engelke in loser Folge „Künstler, Querdenker, Freunde und Talente, die man nie oder zu selten im Fernsehen sieht“ (WDR- Pressetext) ein.
■ Wer: Premierengäste sind u. a. Sängerin Sophie Hunger, Brat- schist Nils Mönkemeyer, Schauspielerin Caroline Peters sowie taz-Karikaturist Elias Hauck mit der Hauck & Bauer-Rubrik „Wir haben das vorher aufgezeichnet“.
■ Warum: Vorgänger Helge Schneider hatte keine Zeit mehr.
Beides hat seinen eigenen Reiz. Es ist aber nicht so, dass ich bei „Anke hat Zeit“ komplett unvorbereitet wäre. Lianne La Havas’ Musik verfolge ich privat schon eine ganze Weile, und das Buch von Markus Gabriel …
… dem jüngsten Philosophieprofessor Deutschlands …
■ Kleiner Star: Geboren 1965, Schulchor, Duett mit Udo Jürgens, Moderatorin bei Radio Luxemburg und des ZDF-Ferienprogramms, später bei SWF3.
■ Großer Star: „Wochenshow“, „Anke“, „Ladyland“, „Anke Late Night“, „Blind Date“, „Fröhliche Weihnachten!“, „Die Simpsons“, ESC und seit 2002 „Ladykracher“.
… habe ich zusätzlich zu dem Dossier, das ich über jeden Gast bekomme, natürlich auch gelesen, um nachvollziehen zu können, warum die Redaktion den so spannend findet. Das grenzte schon fast an Übervorbereitung – mit der Gefahr, dass man nicht mehr naiv, neugierig und offen genug fragt.
Der Reiz beim ESC-Vorentscheid und noch mehr beim ESC in Düsseldorf war eher ein sportlicher. Der Abend war sekundengenau durchgetaktet – schon allein deshalb, weil ein Teil der angeschlossenen Sender Werbepausen hat. Dieser Perfektionismus erzeugt einen großen Druck, auf den ich aber sehr stehe.
Hat „Anke hat Zeit“ Sie auch gereizt, weil Sie darin den Fan in sich rauslassen dürfen?
Zunächst mal sind mir die Leute wichtig, mit denen ich zusammenarbeite: Finde ich die geil? Aber natürlich macht es Spaß, Gäste vorzustellen, deren Arbeit ich auch privat schätze. Oder die Redaktion. Dann haben die Zuschauer und ich die Wahl: Werden wir in der Sendung auch zu Fans – oder nicht?
Sie halten aber keine CDs in die Kamera.
Ganz bewusst nicht. „Anke hat Zeit“ ist eine werbefreie Sendung, mal abgesehen von der Darstellung des Selbst. Wir wollen keine Werbeplattform sein für Dinge, sondern für Menschen.
Sie sind bekannt für Ihre kritische Haltung dem eigenen Medium gegenüber. Dem Zeit-Magazin sagten Sie kürzlich, dass Fernsehen „eigentlich dumm“ sei. Wie oft wurden Sie für dieses Statement schon gerügt?
Das muss mir keiner sagen. Ich stelle mir ja selbst oft die Frage, wie jemand, der das Fernsehen so runtermacht, sein Geld damit verdienen kann.
Und Ihre Antwort?
Das ist möglich, wenn daraus der Antrieb erwächst, besseres Fernsehen zu machen. Mein Part in der „Sendung mit dem Elefanten“ zum Beispiel ist aus meiner Unzufriedenheit mit dem Kinderfernsehen entstanden.
Sie haben auch gesagt, dass Sie nicht wollen, dass man das Fernsehen wichtig nimmt.
Ich stelle mich gern in der Reihe derer hinten an, die die Selbstbesoffenheit der Branche kritisieren. Ich mag meinen Beruf extrem – aber was wäre, wenn das Fernsehen morgen plötzlich nicht mehr ginge? Wie schön wäre dann weiterhin die Welt, vielleicht sogar noch schöner!
Fakt ist doch, dass es viele Sendungen gibt, die Unfug sind und ein Weltbild propagieren, das ich nicht gutheiße. Ich glaube, dass ein Fernseher, der fünf Stunden am Tag läuft, Zeit und Energie raubt. Ich glaube, dass Menschen stumpf werden.
Haben Sie ein Hassformat?
Ich hasse ungern, ich liebe lieber.
Was ist liebenswert am deutschen Fernsehen?
Sendungen, die funkeln und innovativ sind, die Energie haben. Sendungen, die gemacht werden von Menschen, die mit Leidenschaft etwas vermitteln wollen. Dass ich diese Sendungen dann nicht gucke, ist schade, weil ich so eine Mitschuld trage, wenn diese Sendungen abgesetzt werden, weil die Quoten nicht stimmen.
Wie viel gucken Sie überhaupt?
Nicht viel. Ich kann nicht gut sitzen und schauen. Ich kann gut ins Kino gehen – das mache ich dreimal die Woche –, ich gehe auch gern in Konzerte und ins Theater, aber ich kann nicht zu Hause sitzen. Zu Hause lebe ich doch!
Da koche ich, da quatsche ich, da spiele ich, da bumse ich, da mach ich Sachen, da wasch ich Wäsche. Es gibt aber Fernsehsendungen, bei denen ich mich ärgere, dass ich sie regelmäßig verpasse. Ich wünschte, ich würde mehr Harald Schmidt gucken.
Sind Sie denn Sky-Abonnentin?
Ich glaube, mein Mann ist das. Wenn der Motorrad guckt, hat der dann Sky?
Das läuft auch bei Eurosport und Sport1.
Diese ganze Sucherei ist mir schon zu lästig. Ich bin keine Zapperin. Wenn ich schaue, dann gezielt. Ich freue mich zum Beispiel, wenn ich nach den „Tagesthemen“ und „TTT“ noch fit genug bin für „Druckfrisch“.
Auch „Anke hat Zeit“ spricht ja Kulturinteressierte an, die eine solche Sendung sehen, wie sie das Feuilleton in der Zeitung lesen. Ich würde mich freuen, wenn sich möglichst viele Zuschauer auf diese Wundertüte einließen.
Das Prinzip Ihrer Sendung ist wie Zeitunglesen im Urlaub, wenn man Dinge liest, die man sonst überblättert hätte?
Genau. Ich möchte die Zuschauer dazu einladen, Entdeckungen zu machen. Ich mag Ah- und Oh-Effekte sehr gern. Das ist der rote Faden durch meine ganze Arbeit: bei der „Sendung mit dem Elefanten“ genauso wie bei „Ladykracher“ und wenn ich die Marge bei den „Simpsons“ synchronisiere.
Ein Sketch etwa ist gelungen, wenn der Zuschauer sich wegdreht und denkt, autsch, das bin ja ich. Oder: Das ist mein Partner. Oder: Das ist mein Kind. Zu sehen, wie meisterlich die Macher der „Simpsons“ Zeit- und Gesellschaftskritik in die Folgen einweben, ist die reine Freude.
Ich wünschte, ich würde mehr „Simpsons“ gucken. Aber dafür bräuchte ich Zeit. So nebenbei kann ich das nicht. Bekiffte Teenies und Kinder fauler Eltern können das vielleicht. Ich kann mich nicht berieseln lassen. Für mich ist Fernsehen anstrengend, weil es die Sinne so beansprucht.
Was ist mit den überall gefeierten neuen US-Serien?
Nichts gesehen.
Aber gibt es nicht Kollegen, die Ihnen sagen: Anke, das musst du gucken?
Klar, die schenken mir DVDs.
Und dann?
Frage ich, ob ich die weiterverschenken darf.
Im Gegensatz zu vielen Kollegen nerven Sie nicht durch Omnipräsenz. Wie schafft man das?
Ich habe das nicht wirklich im Griff. Obwohl ich ein totaler Kontrollfreak bin. Wann Projekte ausgestrahlt werden, an denen ich beteiligt war, liegt ja nicht in meiner Hand. Wenn sich das ballt, nervt es natürlich. Das geht mir selbst genauso, wenn ich irgendwelche Fressen dauernd sehen muss. Insofern war der Monat auf dem Cover von DB Mobil die Hölle für mich als BahnCard-Inhaberin.
Man kann nur begrenzt entscheiden, sich rar zu machen?
Nein, das wäre mir zu einfach gedacht. Es ist meine freie Entscheidung, ob ich in irgendein Mikro eine Station-ID spreche, irgend so ein „Inge am Morgen – nullomat Sorgen!“ oder eben nicht.
Auch meine Weigerung, mich etwa nach einer Lesung mit Roger Willemsen einzeln und damit aus diesem Kontext herausgelöst fotografieren zu lassen, wird mir immer seltener übel genommen. Das Bewusstsein dafür scheint zu wachsen, dass wir Showfritzen sonst eine Präsenz bekommen, die nicht mehr kontrollierbar ist.
Sind Sie nicht manchmal auch von der Angst getrieben, plötzlich nicht mehr gefragt zu sein?
Nie. Dann käme ich mir mickrig vor und armselig, wie auf dem Showgeschäft-Strich. Ich möchte hier keinen Berufsstand diskreditieren, eventuell gibt es positive Aspekte der Prostitution, die mir nicht bekannt sind. Aber ich würde durchdrehen, wenn ich davon abhängig wäre, wichtig genug zu sein, um auf irgendwelche Partys eingeladen zu werden.
Wenn ich Kollegen sehe, für die ihre Show der Lebensinhalt ist, macht mich das traurig. Die geben Interviews, gehen über den roten Teppich, sind überall. Und wenn Sie nach Hause kommen, dann fällt erst die Klamotte ab, dann das Fleisch, übrig bleibt das Skelett, und die Seele, ich weiß gar nicht, wo die dann ist.
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