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Ankara setzt Bundesregierung unter Druck

■ Die türkische Regierung besteht auf Vorabgarantie für Panzerlieferung. Eine Entscheidung soll noch im Juli fallen. Grüne: „Waffenexporte sind derzeit nicht möglich.“ Neuer Krach in der Koalition nicht ausgeschlossen

Berlin (taz/AFP/dpa) – Der rot-grünen Bundesregierung steht im Zusammenhang mit der Leopard-2-Panzer-Lieferung an die Türkei wieder Ärger ins Haus. Denn die Türkei stellt neue Bedingungen für die umstrittenen Lieferungen von Panzern und Kampfhubschraubern. Von Deutschland und den anderen Anbieterländern werden jetzt Exportgarantien für die Rüstungsgüter verlangt, bestätigten am Dienstag diplomatische Kreise in Ankara.

Mit den Garantien will die türkische Regierung sicherstellen, dass nach einem Zuschlag für ein bestimmtes Panzer- oder Hubschraubermodell die Lieferung auch tatsächlich anläuft und nicht an politischen Vorbehalten im Lieferland scheitert. Die Türkei will damit verhindern, dass sie in die peinliche Situation gerät als Nato-Partner un EU-Beitrittskandidat aus politischen Gründen Rüstungsexporte verweigert zu bekommen.

Stattdessen steht die rot-grüne Koalition, die im Oktober vorigen Jahres an der Frage der Panzerlieferung in die Türkei zu scheitern drohte, vor neuen Problemen. Sie hatte sich damals nach heftigen Auseinandersetzungen zwischen der SPD und den Grünen darauf geeinigt, der Türkei einen Prototyp zu liefern und weitere Panzerlieferungen von der Lage der Menschenrechte in der Türkei abhängig zu machen.

Bei der Lieferung des Testpanzers ging die Bundesregierung aber davon aus, dass die Türkei über die Bestellung von 1.000 Panzern mit einem Gesamtvolumen von 14 Milliarden Mark bis Ende 2001 entscheiden werden. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll die Entscheidung aber bereits im Juli dieses Jahres gefällt werden.

Die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Angelika Beer, sagte gestern, eine Exportzusage werde es „zum jetzigen Zeitpunkt nicht geben“. In der rot-grünen Koalition gebe es „einen Konsens, dass bei der derzeitigen Menschenrechtslage eine Lieferung nicht erfolgen würde“.

Zwar machte auch der SPD-Linke Gernot Erler deutlich, dass es „nach den in Deutschland geltenden Regeln“ eine von der Türkei geforderte Vorabgarantie, die womöglich zeitlich nicht begrenzt sei, nicht geben könne, aber es gibt in der SPD auch Stimmen, die einer Panzerlieferung in die Türkei positiv gegenüberstehen. Ein neuer Koalitionskrach ist also nicht ausgeschlossen. Gleichzeitig mit den neuen türkischen Forderungen wurde bekannt, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) Anfang März in die Türkei reisen will. Ein Besuch von Bundespräsident Johannes Rau in Ankara ist für April geplant. Beide Besuche werden also von der Frage der Rüstungsexporte überschattet sein.

Ein Prototyp des deutschen Leopard-2-Panzers befindet sich seit Anfang des Jahres zur Erprobung in der Türkei. Die türkische Regierung will entscheiden, ob sie dem Leopard oder einem der ebenfalls angebotenen Panzer aus den USA, Frankreich oder der Ukraine den Vorzug gibt.

Noch gibt es bei der Bundesregierung weder eine offizielle Anfrage von dem Panzerhersteller Krauss Maffei-Wegmann noch von der Türkei. Doch ist dem Unternehmen bekannt, dass eine Liefergarantie aus Ankara kommen werde, sagte gestern ein Sprecher. Deshalb werde das Unternehmen schon „in nächster Zeit“ eine offizielle Anfrage an die Bundesregierung stellen. Dies gelte sowohl für die Serienlieferung an die Türkei als auch für den Nachbau des Panzers Leopard 2.

Über die deutsch-französische Koproduktion „Tiger“ ist die Bundesrepublik auch an der Ausschreibung für das acht Milliarden Mark umfassende Hubschraubergeschäft mit der Türkei beteiligt. Über die Anschaffung von 145 Helikoptern für die türkische Armee soll nach einem Bericht der türkischen Zeitung Hürriyet noch im Februar und damit vor dem Schröder-Besuch entschieden werden.

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