Animierte Sissi-Parodie: Sehr witzig, Herr Herbig!
Bully Herbig weiß, wie idiotensicherer Humor funktioniert. Das macht ihn zum Haareraufen erfolgreich. Jetzt läuft sein neuer Film "Lissi und der wilde Kaiser".
Zahlen wie Handgranaten: knapp 12 Millionen ZuschauerInnen. Über 62 Millionen Euro Umsatz an der Kinokasse. Fast 20 Auszeichnungen, darunter der Bayerische und der Deutsche Filmpreis, der Deutsche Comedypreis und der Bambi. Und alles hat sich ein Küken ausgedacht, das noch nicht mal 40 ist: Michael Bully Herbig, geboren 1968 in München, medioker groß, medioker auffällig, zum Haareraufen erfolgreich und anscheinend idiotensicher, was Humor betrifft, landete 2001 mit dem "Schuh des Manitu" DEN Erfolgsfilm seit der Erfassung der Zuschauerzahlen, der nur und ausgerechnet von "Otto - Der Film" (1985) übertroffen wurde. Bullys zweites Werk "(T)Raumschiff Surprise" konnte 2004 fast genauso viel Spaßvögel in die Kinos locken, und die sollen jetzt möglichst alle in "den neuen Bully" gehen, der am Donnerstag anlief: "Lissi und der wilde Kaiser".
Bully Herbig wurde als Michael Herbig am 29. April 1968 in München geboren. An der Filmhochschule abgelehnt, begann er seine Karriere als Comedian 1992 beim Radio: Herbig trat in diversen Shows und Serien auf und bekam eine "Bullys Late Night Show". Zum Comedy-Star wurde er aber erst ab 1997 mit der Fernsehsendung "bullyparade", die bis 2002 auf Pro7 lief. Fester Bestandteil jeder Folge waren eine Wildwest-Episode und eine "Raumschiff Enterprise"-Parodie. Aus beiden sollte Herbig später seine erfolgreichen Kinofilme generieren, nachdem er 2000 mit "Erkan und Stefan" sein Kino-Regiedebüt abgeliefert hatte: "Der Schuh des Manitu" erschien 2001 und wurde vier Monate später mit 8,85 Millionen Zuschauern zum erfolgreichsten deutschen Film seit Beginn der Statistik 1980. "(T)Raumschiff Surprise" lief 2004 an; Regie, Produktion, Buch, Darsteller: Bully Herbig. Das Pseudonym Bully hat Herbig, wie er immer wieder gern erzählt, seit der Jugendzeit. Damals trug er offenbar oft ein FC-Bayern-Shirt, auf dem ein Sponsor den Schriftzug "Die Bullen kommen" platziert hatte.
"Ich habs ja auch nicht erwartet", sagt Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Bully Herbig dazu beim Gespräch in einem Berliner Hotel, unter Blumendeko und Grillenzirpen aus der Konserve, das eine beruhigende Wirkung auf die Berlintouristen haben soll. "Ich mach die Filme so, dass sie mir gefallen. Ich denk mir keine Gags aus und überlege, wer darüber lachen könnte, sondern wenn ich mich amüsiere, hoffe ich, dass andere das auch können. Mit Insidergags grenzt du andere aus." Schlicht, aber effektiv: Bullys Witze grenzen niemanden aus und treffen den allergrößten gemeinsamen Nenner. Und werfen ein gruseliges Bild auf den deutschen Durchschnittslacher.
Denn Humor à la Bully Herbig, das weiß man aus seiner bis 2002 auf Pro 7 ausgestrahlten Comedyshow "Bullyparade", aus deren regelmäßigen und teilweise fabelhaften Sketchreihen quasi eins zu eins seine bisherigen Spielfilme entstanden, hat meist vor allem drei Grundsätze: 1. Witz muss eine Parodie eines erfolgreichen Films/Themas/Serienformats aus den muffigen 50ern oder 60ern sein, das viele der Bully-ZuschauerInnen "von früher" kennen, sodass sich zum Lachen ein diffuses, wehmütiges "Weißt du noch, wie blöd das alles war?"-Wir-Gefühl gesellen kann. 2. Witz muss mit Dialekt arbeiten - ein "Servus" am richtigen Ort ist immer ein paar Lacher wert, darunter fallen auch sämtliche ausländischen Akzente. Und 3. Witz muss irgendwo eine Schwulendarstellung beinhalten, die - vordergründig harmlos und extra politisch a bisserl unkorrekt - mit den bekanntesten Vorurteilen "tuntige Sprache", Sexualfixierung und Eitelkeit spielt. Im "Schuh des Manitu" hat der an Winnetou angelegte Charakter Apahachi einen schwulen Bruder namens "Winnetouch", der einen Schönheitssalon führt, am liebsten Rosa trägt und in Teekännchenhaltung auf dem Pferdchen sitzt, in "(T)Raumschiff Surprise" sind die drei Hauptdarsteller schwul und dementsprechend ulkig in ihren eigentlich typischen Männer-Heldenrollen.
Im neuen Bully-Herbig-Film spricht Bully gleich selber eine Frau: "Lissi und der wilde Kaiser" ist ein Animationsfilm, der auf Sissi-Parodien aus der "Bullyparade" fußt und in dem Herbigs Protagonistin Lissi zwar an sich mit Kaisergatten Franzl glücklich ist, jedoch von einem Yeti (ebenfalls ein Charakter aus der Fernsehsendung) entführt wird und nebenbei ein paar trotteligen k. u. k. Herrschaften kräftig in den Hintern treten muss. Gelungener Gag reiht sich an müden Gag, es wird wie am Schnürchen gebayert, geschmäht und geslapstickt, und die Frage, wieso Lissi und ihre FreundInnen unbedingt vom Rechner generiert sein müssen, ist auch am Ende der kurzen 85 Minuten nicht beantwortet worden: Bis auf den Yeti (und der wäre als Schauspieler mit der entsprechenden Maske bestimmt ganz zauberhaft) ist das Ganze eigentlich nur eine computeranimierte Kostümfilmklamotte, die in Humor und Idee bei "Shrek" und anderen Größen des Genres gespickt hat.
Im Interview muss man Bully Herbig diese Frage gar nicht stellen, er kommt selber drauf und rechtfertigt sich damit, dass es "nicht funktionieren kann, 90 Minuten lang Frauenklamotten zu tragen", und mit seiner Scheu vor einer Liebesszene mit Christian Tramitz, neben Rick Kavanian einem der beiden festen Bully-Team-Mitglieder. Vielleicht hatte er auch Muffe vor dem Schritt in die echte Drag-Klamotte - Männer in Frauenkleidern haben schließlich einen gewissen Ruf, den ein heterosexueller Münchner fürchten könnte.
Herbig trägt Jeans und Turnschuhe, ein weißes, Ton in Ton bedrucktes T-Shirt, seinen Ehering und einen breiten Silberring mit einem ungewöhnlich auffälligen, runden Symbol - geheime Burschenschaft? Freimaurer? Eso-Sonne? Iwo. Die Geldmaschine Bully, dessen Lächeln bei jeder Antwort kurz erblüht, ihm am Ende des Satzes aber wieder aus dem Gesicht fällt wie ein abgestorbenes Barthaar, ist die Verkörperung des harmlosen 50er-Jahre-Witzbolds. Genauso ist sein Humor: Bananenschalenniveau. "Wissen Sie, wann ich mich wirklich wegschmeiße? Ich gehe mit einem Kumpel auf der Straße entlang, und er knallt gegen eine Laterne. Weil gegenüber gerade zwei Mädchen vorbeilaufen." Harhar. Selbst hinter seinem Spitznamen scheint nichts als fröhliche Durchschnittsinnovation zu stecken: Er habe als Bayern-München-Fan früher oft ein T-Shirt des damaligen Sponsors Magirus-Deutz mit "Die Bullen kommen" drauf getragen, lässt Herbig als eines der wenigen, rührend unaufregenden Details aus seiner Vergangenheit in sämtlichen Artikeln über ihn kolportieren. Und dass er Witze macht, weil er "die Leute unterhalten möchte", logisch. "Ich mag es, wenn Leute Spaß haben", sagt er recht eindringlich mit diesem merkwürdigen, kurzen Lächeln, als ob er da gerade nicht eine Plattitüde, sondern ein Bonmot ins Rennen geworfen hätte, und erzählt davon, dass er schon als Kind aus Entertainmentgründen Geisterbahnen aus Pappkartons gebaut habe. Dann wieder eine Antwort, nach der keiner gefragt hat, die es aber schon auf das Vanity Fair-Cover schaffte und damit ruhig ein paar Wiederholungen verdient: "Ich finde es sexy, wenn Frauen lachen." Wenn sie lachen, oder wenn sie Witze machen? "Nein, wenn sie lachen." Spießer.
Die Sissi-Verfilmungen mit Romy Schneider aus den 50er-Jahren erzielten laut amtlichen Schätzungen übrigens Zuschauerzahlen zwischen 20 und 25 Millionen, und da gab es nicht an jeder Provinzstraßenecke ein Multiplex und man konnte vorher nicht monatelang Making-Ofs auf seinem Haussender senden und sich so quasi ins gemachte Bett legen. Aber, das muss man zugeben, lustiger waren die Sissi-Filme wirklich nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär