Anhörung zur SachsenLB-Misere: Milbradt quält den Ausschuss
Sachsens Ministerpräsident versucht, Verantwortung für die Fast-Pleite der Landesbank von sich zu weisen. Die habe sich selbst runtergewirtschaftet, meint er.
"Bitte schießen Sie die letzten Fotos von Herrn Milbradt", sagte ein Ausschussmitglied und forderte Fotografen und Kameraleute zum Verlassen des Raumes auf. Die unfreiwillige Komik war ihm nicht gleich bewusst, denn den Medienleuten galt der Auftritt Georg Milbradts am Montag vor dem Sachsenbank-Untersuchungsausschuss als ein Schicksalstag des sächsischen Ministerpräsidenten. Es ging um die Mitverantwortung des CDU-Politikers für das Desaster der Sachsen LB. Doch Milbradt, bis 2001 Finanzminister und ab 2002 Ministerpräsident, zog nicht ungeschickt einen mehrfachen Verteidigungsring um sich.
Unter seiner Ägide hatte der Landtag 1991 die Errichtung einer kleinen sächsischen Landesbank beschlossen, als das Vorhaben einer gemeinsamen öffentlichen Bank für Ostdeutschland scheiterte. 1999 begann die Sachsen-LB, über eine Tochtergesellschaft in Irland am internationalen Immobilienmarkt zu spekulieren. Sie reagierte damit unter anderem auf geringe Erträge im klassischen Landesgeschäft und verschärfte Wettbewerbsbedingungen. Im Sommer 2007 stammten 82 Prozent des Bankgewinns aus den riskanten US-Kreditgeschäften. Mitte August drohte der Bank plötzlich der Zusammenbruch. In wenigen Tagen musste die Sachsen LB an die Landesbank Baden-Württemberg verkauft werden. Im Dezember kam es zu Nachverhandlungen. Ergebnis: Sachsen blieb auf einer Ausfallbürgschaft von 2,75 Milliarden Euro sitzen.
Die Opposition, aber auch Parteifreunde hatten Milbradt dafür Mitverantwortung angelastet. Wegen dieser und anderer Pannen sowie mäßiger Umfragewerte der CDU erscheint eine erneute Nominierung Milbradts zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2009 fraglich. Schon wird über einen Rückzug nach verpatzten Kommunalwahlen im Sommer spekuliert.
Entsprechend gequält wirkte sein Lächeln, als er zu Sitzungsbeginn jedes einzelne Mitglied des Untersuchungsausschusses mit Handschlag begrüßte. Dabei hatte sich der Ministerpräsident mit einem dreistündigen Vortrag gut vorbereitet. Die Kurzformel lautete: Ich konnte und musste nicht alles wissen, und wo ich etwas wusste, war ich nicht zuständig. Die Bank habe relativ eigenständig agiert, und sein Vorsitz im Verwaltungsrat sei personell von der Rechtsaufsicht durch den Finanzsstaatssekretär getrennt gewesen. Milbradt konnte sich hinter der Unternehmensberatung McKinsey oder dem Präsidenten des Ostdeutschen Sparkassenverbandes verstecken, die auch nichts Anrüchiges an den Irland-Geschäften fanden. Es machten schließlich alle so, wenn auch mit mehr Eigenkapital im Rücken als die Sachsen LB.
Ein von der Regierung in Auftrag gegebenes Gutachten der Wirtschaftsprüfer Ernst & Young hatte im März ebenfalls alle Verantwortung den inzwischen abgelösten Bankvorständen zugeschoben. So will auch Milbradt von den Auswirkungen der Finanzkrise "völlig überrascht" gewesen sein.
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