GASTKOMMENTAR: Angst vor der Zukunft
■ Die „Organisation für Afrikanische Einheit“ (OAU) am Scheideweg
Am Vorabend ihres 30.Geburtstages sieht sich die „Organisation für Afrikanische Einheit“ (OAU) von der Geschichte überholt. Ihre Archive quellen über mit langen Tiraden gegen Kolonialismus, Neokolonialismus und gegen Apartheid, von heißen Schlachten zwischen Gemäßigten und Fortschrittlichen, zwischen Anglo- und Frankophonen, Sozialisten und Kapitalisten, für dieses und jenes. Aber heute herrscht das Nichts. Das große Schweigen im Konsens.
Der Lauf der Dinge spult Standardthemen ab, von allen mehr oder weniger akzeptiert, die da heißen Freiheit, Demokratie, Markt, Integration, gegenseitige Abhängigkeit. Auf diese Weise wird sich der Freundschaftsverein namens OAU langsam, und oft zum eigenen Nachteil, seiner Marginalisierung bewußt — wenn er nicht sogar selbst seine Schwäche konstatiert und seine Machtlosigkeit eingesteht.
Denn es besteht kein Zweifel mehr: mit ihren Dekreten, Erklärungen und Resolutionen machen die Staatschefs keine Geschichte mehr. Sie erleben und erfahren sie — durch die Unruhen der städtischen Ballungsräume oder bestenfalls in der Wahlkabine.
Von der Woge der Demokratisierung zunächst überrascht, hatte sich die panafrikanische Organisation schließlich dem Volkswillen gebeugt und 1990 in Addis Abeba eine Abschlußerklärung über „grundsätzliche Veränderungen“ angenommen. Derselbe Reflex hat sie seither auch dazu gebracht, einerseits ihr Projekt der wirtschaftlichen Integration endlich zu formalisieren und andererseits einige ihrer angestaubtesten Ideen zu reaktivieren — insbesondere die panafrikanische Eingreiftruppe zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder der Mechanismus zur Verhütung und Lösung zwischenstaatlicher Konflikte. Sie will die sichtbarsten Symptome behandeln, ohne daß sie die tieferen Ursachen im geringsten beherrscht.
Daß diese Fragen auf der Tagesordnung von Dakar stehen, fast 30 Jahre nachdem sie zuerst aufgeworfen wurden, läßt den Schluß zu: die Angst vor der Zukunft führt die OAU zu ihren Ursprungsträumen zurück. Sidy Gaye
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen