verpasst? : Angst vor der Sitte
„Blutige Ehre“, RBB, Mittwoch, 21.00 Uhr
„Sie hat fast keinen glücklichen Tag gehabt“, sagt ihre Schwester. „Der Tod war eine Erlösung für sie.“ Ihr Mann hat sie geschlagen, misshandelt – und schließlich hat er die junge Türkin Meryem umgebracht, weil sie es nach all den Jahren, in denen sie geschwiegen hatte, wagte, ihn per Gerichtsbeschluss vor die Tür zu setzen. Dass seine Frau sich gegen ihn auflehnt, hat er nicht ertragen. Passiert ist das alles nicht in der Türkei, sondern im Berliner Stadtteil Neukölln im vergangenen Jahr. Der Mord könnte für beide Familien fatale Konsequenzen haben, weil die Tradition Blutrache verlangt, dass also auch in der Familie des Täters jemand sterben muss.
In ihrer Reportage „Blutige Ehre“ versuchen Jo Goll und Norbert Siegmund zu erklären, woher diese Tradition kommt und wie die in Berlin lebenden Türken nun damit umgehen. Sie haben sich mit Meryems Geschwistern unterhalten, sind in ihren türkischen Heimatort gefahren, um mit dem Großvater zu sprechen, und haben einige Worte mit den Angehörigen der Familie von Meryems Mann wechseln können, die sich aus Angst kaum noch in der Öffentlichkeit zeigt.
Nachher weiß man zwar vieles mehr über die Wurzeln der Sitte, unter der beide Familien so sehr leiden und von der selbst der Großvater sagt, dass man sich vielleicht nicht an sie halten solle – aber wirklich begreifen kann man sie nicht. psr