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„Angst vor den eigenen Gedanken“

■ Die Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber wurde in den idyllischen Rostocker Ortsteil Hinrichshagen verlegt

Rostock (taz) — Es war an einem Donnerstag im Juni, als sich für die Bewohner der Waldsiedlung in Rostock-Hinrichshagen „plötzlich alles geändert hat“. Bis dato lebten die 100 Menschen allein und idyllisch in einem weit von der Stadt entfernten Wald, in unmittelbarer Nähe einer leerstehenden ehemaligen NVA-Kaserne. „Uns hat vorher keiner was gesagt — und dann kamen die Sinti und Roma“, berichtet ein Bewohner.

Beschützt von einer Dogge sitzen die Einwohner, die früher bei der NVA beschäftigt waren, vor ihrem Häuserblock. Kontakt zu den Ausländern habe man nicht. Seit vergangenem Samstag sind auch einige Roma, die vorher in Lichtenhagen untergebracht waren, in die Kaserne gebracht worden. Die Hinrichshagener haben Angst: nicht vor den Roma, sondern vor einem Angriff von Skinheads und Neonazis. Die Polizei bewacht das Gelände rund um die Uhr.

Am kommenden Donnerstag wollen die Hinrichshagener gemeinsam zum Wohnungsamt in Rostock gehen und „auf den Putz hauen“. Die Anwohner, die sich bis dato „wie eine große Familie“ fühlten, wollen aber nicht durchsetzen, daß die Roma wieder verschwinden. „Wir wollen hier das Feld räumen und Platz machen. Das Gelände hier kann viel besser bewacht werden als in Lichtenhagen“, sagt ein junger Mann. Die Hinrichshagener hetzen nicht über die Flüchtlinge, suspekt ist ihnen trotzdem, „was die Roma hier so treiben“. Die hätten immer so dicke Reisetaschen, prallgefüllte Aldi-Tüten, Säcke voller Kartoffeln bei sich.

Früher, so eine Frau, habe sie zu Hause nie abgeschlossen. „Jetzt laufe ich nur noch mit Schlüsseln herum.“ Auch sie ist bereit, die Wohnung aufzugeben und woanders hinzuziehen — auch deshalb, „weil ich inzwischen bei jedem Geräusch zusammenzucke. Ich glaub immer: Jetzt brennt gleich der Wald, weil die Skinheads kommen.“

Zu den Roma hat niemand Kontakt, das Betreten des Heimes ist nur mit Sondergenehmigung durch das Innenministerium erlaubt. Die Waldidylle ist perdu — die Hinrichshagener tragen ihr Schicksal mit Fassung. „Ich erschrecke manchmal vor meinen eigenen Gedanken“, sagt eine Frau, „aber die Roma haben wohl andere Moralvorstellungen als wir.“ Solange die „Ausländer“ weit weg gewesen seien, habe sie nichts gegen sie gehabt. Aber jetzt? „Die betteln, haben auch schon versucht, was zu klauen.“ Und ein Mann bekräftigt noch einmal: „Das Beste ist, wenn wir von hier verschwinden.“ ccm

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