: Angst vor Ziegen und „Überflutung“
Südafrikas Weiße und die Abschaffung der Apartheidgesetze/ Lokale Behörden sollen weitgehend freie Hand für Umgang mit Schwarzen erhalten/ Außerdem „Schutz“ durch die freie Marktwirtschaft ■ Aus Kapstadt Hans Brandt
Südafrikas Präsident Frederick De Klerk und seine Minister bemühen sich nach Ankündigung der Abschaffung der letzten diskriminierenden Gesetze des Landes, die Furcht der Weißen vor „Überflutung“ durch Schwarze zu beruhigen. Regierungsmitglieder betonten, daß die Freigabe von Wohngebieten für alle nicht zu einem Sinken des Wohnniveaus führen werde.
Zum Schutz der Privilegien der Weißen verschreibt die Regierung zwei Allheilmittel: Dezentralisierung und den freien Markt. Lokale Verwaltungsstrukturen sollen ein größtmögliches Maß an Eigenbestimmung bekommen. Dabei wird überlegt, daß sogar einzelne Bezirke Schulen und Kliniken selbst kontrollieren könnten. Zudem sollen nach der Abschaffung der Wohnapartheid örtliche Gesundheits- und Wohnungsbaubestimmungen überholt und strikter angewandt werden. Damit können die Zahl der Bewohner auf einem Grundstück oder in einem Apartmentgebäude eingeschränkt, das Halten von Tieren wie Schafen oder Ziegen in Stadtgebieten verboten, der Lärmpegel festgelegt werden. Gegen Verstöße wird man bei lokalen Behörden klagen dürfen.
Dies ist die „lokale Option“, die auch das versprochene „eigene Gemeinschaftsleben“ ermöglichen soll. Während liberalere Stadtverwaltungen beispielsweise mit den benachbarten schwarzen Wohngebietes zusammenarbeiten können, werden konservativere Kommunalbehörden dies nicht müssen. Mit dieser Politik sind im letzten Jahr schon einige für Weiße reservierte Schulen für schwarze Kinder geöffnet worden: Mehr als zwei Drittel aller Eltern mußten sich für die Öffnung der Schule aussprechen.
Auch die Abschaffung der Rassenklassifizierung bedeutet nicht, daß auf einen Schlag alle Schulen geöffnet werden. Nur Neugeborene sollen nicht mehr klassifiziert werden. Die Kinder der nächsten Schuljahrgänge werden aufgrund der bestehenden Klassifizierung noch immer nach Rassen getrennt eingeschult. Und auch getrennte Wählerlisten für Weiße, Mischlinge und Inder bleiben bestehen. „In der Übergangszeit brauchen wir die drei getrennten Wählerlisten, damit wir für die drei Parlamentshäuser Wahlen abhalten können“, sagte Verfassungsminister Viljön. Außerdem will die Regierung weiße Wähler getrennt über eine neue Verfassung abstimmen lassen, und dazu ist eine getrennte Wählerliste notwendig.
Ohnehin wird das Wohlstandsgefälle zwischen Weißen und Schwarzen dafür sorgen, daß nur wenige Schwarze in weiße Wohngebiete ziehen. In Kapstadt ist sogar schon eine umgekehrte Bewegung zu erkennen. In den letzten Monaten kaufen Weiße Häuser in für Mischlinge reservierten Gegenden. So kann ein weißer Käufer im traditionsreichen „Bokaap“-Gebiet nahe des Stadtkerns ein Haus mit Seeblick erwerben — zum halben Preis von vergleichbaren „weißen“ Gebieten.
Auch auf dem Lande wird der Markt letztendlich weiße Farmer schützen. „Die Abschaffung [der Landgesetze] bedeutet einfach, daß in Zukunft Menschen aller Rassen Land kaufen können, das auf dem offenen Markt angeboten wird“, sagt Viljön. Damit schwarze Eigentümer ihre Farmen nicht zersiedeln, sollen Gesetze zur Kontrolle von Slumsiedlungen, zum Schutz vor Überweidung und Erosion verschärft werden. Ohnehin werden nur sehr wenige Schwarze genug Geld haben, um Farmen zu kaufen.
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