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Angst ist ein schlechter Ratgeber

■ Jürg Laederachs bittererMonolog Fräulein Stefan an den Kammerspielen

Angst macht häßlich, Devotheit zerstört den Körper, aber dahinter mag immer noch ein Geist arbeiten, der genau Bescheid weiß. Fräulein Stefan, gequält von Schokoladensucht und zerfurcht von fehlendem Selbstvertrauen, hat es so schlimm erwischt, daß ihr Chef Dummweg im „Büro für Menschenvernichtung“ sie immer mal wieder nach ihrem Namen fragt. Nur zur Demütigung, versteht sich.

Und auch Kollegin Stahl wetzt täglich ihr seelisches Eisen an der Schreibtischnachbarin. Aber Fräulein Stefan ist nicht dumm, sie beobachtet nicht schlecht, sie ist einfach nicht fähig, so zu funktionieren, wie sie weiß, daß sie es müßte, wenn sie aktives Mitglied im „Büro für Menschenvernichtung“ sein wollen würde.

Daheim, in ihrem einsamen Zimmer mit ihrer Katze Mülli, entrollt sie einen Monolog über die Grausamkeit, die sich versteckt gibt, aber keineswegs subtil agierend auf Persönlichkeitsvernichtung aus ist. Mit schonungsloser Brutalität seziert sie ihr eigenes, auswegloses Elend, wo jede neue Niederlage den Ausstieg aus der Todesspirale weiter verunmöglicht. Nur die unstillbare Sehnsucht nach dem Glück hält Fräulein Stefan noch in Gang.

Bittere Komik und der verzeichnete Charme des Fatalismus geben dieser Selbstentblößung einer Büroangestellten eine schmerzliche Größe und Wahrheit. Der Schweizer Schriftsteller Jürg Laederach hat dieses Stück nach seinem Prosatext Dummweg oder das Hermelin umgearbeitet und Hausherr Ulrich Waller inszeniert es als Late-Night-Programm an den Kammerspielen mit Elke Lang als Fräulein Stefan.

tlb

Premiere: Freitag, 23 Uhr, Kammerspiele

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