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Angriff auf Frauenfußball in BangladeschMit Stöcken aufs Spielfeld

Islamisten sind nach dem Umsturz in Bangladesch auf dem Vormarsch und greifen Frauenfußballspiele an. Das Nationalteam feierte zuletzt große Erfolge.

Die Fußball­nationalspielerinnen von Bangladesch werden im Oktober nach dem Gewinn der Südasienmeisterschaft in Dhaka gefeiert Foto: Zuma Press Wire/imago

Vor drei Monaten war Ankita Anwar noch eine gefeierte Heldin ihres Landes. Ende Oktober gewann sie mit dem Fußballnationalteam die Südasienmeisterschaft in Nepal – schon zum zweiten Mal in Folge. Im ansonsten nicht mit Sport-Trophäen verwöhnten Land war das eine Sensation. Bei der Rückkehr fuhr Anwar mit ihrem Team im Bus gefolgt von einem Autokorso durch die Hauptstadt Dhaka.

„Wir machten Fotos mit dem Pokal und den Medaillen und feierten die ganze Nacht“, erinnert sich die 24-Jährige. „Am Flughafen in Dhaka erwarteten uns Offizielle, um uns mit Blumen zu begrüßen. Journalisten rannten hinter uns her.“ Doch mittlerweile sind die Glücksgefühle in Angst umgeschlagen. Denn Frauen, die Fußball spielen, können sich ihrer körperlichen Unversehrtheit nicht sicher sein. Ankita Anwar hat nur unter der Bedingung Auskunft gegeben, dass ihr echter Name anonym bleibt.

Die Angst kommt nicht von ungefähr. Ende Januar berichteten mehrere Medien im Land von gewaltsamen Überfällen auf Frauenfußballspiele. Der erste Vorfall wurde aus der nordwestlichen Stadt Dinajpur berichtet, der zweite im nicht weit davon entfernten Joypurhat. Beide Male sollen Hunderte Personen, teils mit Stöcken bewaffnet, auf das Spielfeld gestürmt sein und die Anlage kaputtgemacht haben.

Es geht um Politik, sagt der Journalist Julfikar Ali Manik, der seit Jahrzehnten über Terrorismus und Islamismus im Land berichtet. „Die Lage von Recht und Ordnung ist stark zurückgegangen, eine Art geplante Mobgewalt nimmt dagegen zu“, sagt er. „Wir nehmen schon seit sehr langer Zeit zur Kenntnis, dass die Islamisten hier nicht wollen, dass Mädchen oder Frauen irgendeinen Sport wie Fußball oder Cricket spielen. Ihre Politik ist eben, dass die Frauen zu Hause bleiben sollen.“

Mythos der Emanzipation

Bangladesch durchlebt turbulente Zeiten. Im August sorgten Studentenproteste dafür, dass die über 15 Jahre diktatorisch regierende Premierministerin Sheikh Hasina aus dem Land floh. Das Militär beauftragte Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus damit, eine Übergangsregierung anzuführen. Für Neuwahlen ist das Land aber kaum bereit.

Im eigentlich eher moderat-muslimischen Bangladesch sind nun islamistische Kräfte auf dem Vormarsch. Leo Wigger, Fellow für EU- und Südasienbeziehungen im Mercator Kolleg für Internationale Aufgaben, betont, es sei indes falsch zu glauben, vor dem Umsturz sei alles besser gewesen. Sheikh Hasina und ihre Awami League seien säkulär gewesen – aber brutal. Bei den Aufständen im August töteten Sicherheitskräfte 1.400 Protestierende. „Es stimmt schon, dass sie sich für die Emanzipation von Frauen eingesetzt hat oder Minderheitenrechte auf eine gewisse Art und Weise geschützt hat, wenn auch da doch der Mythos sehr viel stärker ist als die Realität“, sagt Wigger.

Sport für Frauen und Mädchen hat sich erst in den letzten Jahren gesellschaftlich durchsetzen können. Ankita Anwar erinnert sich: „Als ich 2009 anfing, Fußball zu spielen, wusste ich nicht einmal, dass es Fußball für Frauen gibt in Bangladesch.“ Im lokalen Klub spielte sie bei den Jungs mit, war die Außenseiterin.

„Aber als unsere Nationalteam 2022 zum ersten Mal die Südasienmeisterschaft gewann, waren viele Leute im Land plötzlich begeistert“, berichtet Anwar. Seitdem sind die Nationalspielerinnen Profis, können sich auf den Fußball konzentrieren. „Fußball ist jetzt sehr beliebt. Aber da wir ein religiöses Land sind, gibt es leider auch Probleme für Frauen, schon wenn sie kurze Hosen tragen.“

Der Journalist Julfikar Ali Manik ist überzeugt, die meisten seien stolz auf die Erfolge der Fußballerinnen. „Etwa 90 Prozent der Bevölkerung sind muslimisch. Aber die große Mehrheit ist nicht extremistisch.“ Der Extremismus betreffe eine sehr kleine Gruppe. „Aber die wollen die Vorherrschaft im Land gewinnen. Sie wollen alles kontrollieren. Und sie nehmen sich die Taliban zum Vorbild.“

Längst nicht alle lassen sich davon einschüchtern. Kurz nach den Angriffen auf Fußballspiele wurden andernorts im Land kurzerhand Frauenfußballspiele organisiert. Lokale TV-Kanäle berichteten davon, dass die Tickets schnell ausverkauft waren.

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