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■ Urdrüs wahre KolumneAngorahosen im Darkroom

Das, was gemeinhin Puschen, Pantoffel oder Schlappen genannt wird – in der Werbung des Discounters Lidl taucht es jetzt unter der wie selbstverständlich gebrauchten Bezeichnung „Bierholer“ auf und skizziert damit in einem Wort, was wirklich zählt auf dieser Welt zwischen Kühlschrank und Big Brother. Manchmal macht die Sprach-Arbeit von Gebrauchstextern aus der dritten oder vierten Reihe unbedingt mehr Sinn als irgendein Stück Literatur von Durs Grünbein oder Helmut Kohl.

Ach Henning, lieber Henning mein. Nun ist er doch dafür, dass Mann sich Mann und Frau sich Frau die Hand zur gesetzlich verbrieften Partnerschaft reichen dürfen und dann kommen ihm so notdürftig als Heteros verkleidete Kerle wie Bernd E. Neumann und Hartmut Perschau mit ihrem Veto-Klamauk dazwischen: Jetzt ist die Stunde des Zwangs-Outing gekommen! Wollen wir doch mal sehen, wer da die langen Angora-Unterhosen im Darkroom runter lassen muss, dem guten Zweck zuliebe.

Der gute Zweck, er führt derweil auch die Hand so manchen Laubsägeonkels, der sich bis kurz vor Eröffnung des nächstbesten Basars bemüht, aus dem ungefügen Stück Holz noch einen Engel zu schaffen oder den Schweif des Sterns für die Strohkrippe vom Stall zu Bethlehem. Wenn aber der Besitzer einer vermutlich in Eiche-Antik gealterten Bertelsmann-Lexikothek mit -zig Bänden dieselbe für schlappe fünfhundert Mark am schwarzen Brett des Waschsalons im Bremer Westen mit den Worten inseriert: „Gehandelt wird nicht, da Erlös für einen guten Zweck“, dann halten wir dem mal entgegen: Omas Nachlass aus dem Lesering für das Linsengericht eines DVD-Players zu verkaufen, ist als mildtätige Übung nicht zugelassen! Dass derselbe Handelsmann auch einen „Turnbeutel mit Autogramm von Uwe Seeler (garantiert echt!)“ anbietet, nährt unseren Zweifel nur noch mehr ...

„Hamse jetzt Rindsrouladen im Angebot?“, fragt eine ältere Dame vor mir im Extra-Markt und erläutert ihr auffälliges Begehr dem angesichts der gezielten Nachfrage fast schon verwirrten Ladenfleischer mit den Worten: „Die Welt ist doch sowieso schon wahnsinnig genug. Und ich bin ja auch schon über siebzig, was geht mich das noch groß an?“ Schade, dass ich nicht der Sohn bin, der am nächsten Sonntag zum Mittagessen eingeladen wird.

Wo der niedersächsische Innenminister Heiner Bartling schon mit erheblichen Protestaktionen bei den nächsten Castoraktionen rechnet, sollte man ihn auch nicht enttäuschen. Damit darüber aber nicht wieder der Eisenbahnverkehr gefährdet wird, wünschen wir uns doch bittesehr vom Nikolaus das Handbuch des totalen Widerstands, das im Auftrag des Schweizerischen Unteroffiziersverbandes verfasst wurde und viel mehr widerspenstige Sabotage-Phantasien enthält als das öde Entgleisenlassen und Ankerwerfen, das endlich mal ein Ende haben muss – sonst lachen sich die Brummi-Eigner und Daimler-Onkelz noch auf unserer Knochen Kosten kaputt!

Falls der wackere Aktionskünstler Gerold Janssen heute um 20 Uhr nicht gerade im Hollerland zu malen hat oder an Aktionen zum Welt-Aidstag teilnimmt, lade ich ihn (und auch Dich!) herzlich ein zu meiner heutigen Adventsfeier der freundlichen Subversion in der GaDeWe. Nix dagegen, wenn er dann 'ne Runde Glühwein ausgibt im Vorgriff auf das Schmerzensgeld, das ihm die kunst-, natur- und menschenfeindlichen Bullizisten zahlen müssen. Und tröste dich – die überfällige Entschuldigung wird irgendwann noch Knecht Ruprecht persönlich als solidarischer Butenfrese aus den Schneemützen herauskloppen, na sicher das!

Verstoßen ward ich/einstmals aus den Reihen/der Kleingärtner in diesem Land/ dieweil mein Paradies in Walle/nicht jenem dumpfen Regelwerk entsprach/das statuarisch vorgesehen. Und obendrein dann urinierte/mein Töchterchen zwei Jahre jung/auf den Gemeinschaftsweg/dem Vorstand zum Verdrusse/worauf es kam zu dem Beschlusse/ dass ich musst von euch gehn.

Doch jetzt da man/die Harmonie und Gute Ernte/die Kolonie Kornblume gar und selbst die von Schwachhausen/zu meucheln trachtet/schnöder Stadtentwicklung willen/da steht in Treue fest/zu schützen freie Scholle/mit Spaten, Bier und Sense gern bereit

Ulrich „Gartennachbar“ Reineking

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