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Angeklagt: Sexuelle NötigungK.-o.-Tropfen vor Gericht

Nach vier Monaten U-Haft steht der SPD-Politiker Frank S. nun vor Gericht. Er beteuert seine Unschuld. Die Anklage sieht einen besonders schweren Fall.

Kein Klarfoto aus dem Gerichtssaal: Bis zur rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung. Bild: kawe

Seit gestern muss sich der Bremer SPD-Politiker Frank S. vor dem Landgericht verantworten. „Unschuldig“ hatte er dem Haftrichter gesagt, aber der fand das nicht überzeugend: Seit fünf Monaten sitzt er wie sein Kumpel Daniel G. in Haft. Die beiden, so die Anklage, sollen im vergangenen Oktober einen 20-jährigen Mann mit K.-o.-Tropfen willenlos gemacht und sexuell missbraucht haben. Die Dosis des Wirkstoffes war so hoch, dass das Opfer in Lebensgefahr gebracht wurde, bis zu zehn Jahren Haft drohen den beiden.

Die Verteidiger der Beschuldigten haben am ersten Verhandlungstag versucht, den Prozess insgesamt zu torpedieren: Eine Schöffin ist CDU-Mitglied und sei daher befangen, meinten sie. Die Öffentlichkeit müsse ausgeschlossen werden, weil eine Berichterstattung über sexuelle Details die Persönlichkeitsrechte der Täter und eine mögliche weitere Parteikarriere von Frank S. beeinträchtigen könnten. Zudem sei der rechtsmedizinischen Gutachter befangen, weil er mit dem Vater des Opfers, einem Kripo-Mann, dienstlich Kontakte hat.

Das Gericht lehnte alle Anträge ab. Dem professionellen Engagement des Vaters ist es zu verdanken, dass die Hinweise auf die K.-o.-Tropfen rechtzeitig gesichert wurden. In der Klinik, in die das Opfer bewusstlos eingeliefert worden war, ging man von einer überallergischen Reaktion aus und drückte dem Vater eine Tüte mit Kleidungsstücken seines Sohnes in die Hand. Der Vater steckte den Pullover nicht in die Waschmaschine, sondern gab ihn mit dem Verdacht auf Sperma-Beweisspuren der Beweissicherung. Er fuhr zu der Wohnung von Frank S., aus der sein Sohn von den Rettungssanitätern herausgeholt worden war, und fragte, was denn passiert sei.

Ihm wurden Geschichten aufgetischt, die er als Ausreden bewertete – er fuhr daraufhin wieder in die Klinik, um von den Ärzten eine Untersuchung auf K.-o.-Tropfen zu verlangen – notfalls werde er dies privat bezahlen, habe er den Ärzten gesagt, so berichtet der Stern. Das Tückische an K.-o.-Tropfen ist, dass sie nur wenige Stunden lang nachweisbar sind, gleichzeitig aber das Opfer lange Stunden benommen ist und keinerlei Erinnerung hat.

Frank S. hatte nach der durchzechten Nacht selbst den Notarzt gerufen, weil das Opfer leblos auf seinem Sofa lag. Der Polizei erzählte er, der Notruf-Mitarbeiter habe ihm geraten, dem bewusstlosen Mann wegen dessen Atembeschwerden die Unterhose auszuziehen. Auf dem Notruf-Mitschnitt ist allerdings nichts dergleichen zu hören.

Offenbar war das Opfer heimtückisch in die Falle gelockt worden. Der 20-Jährige war mit einem Freund unterwegs, als sie auf Frank S. trafen. Der kannte das Opfer von einer von ihm organisierten Jugendreise. Man habe zusammen Bier getrunken und einen Joint kreisen lassen, es sei zu keinerlei näheren Kontakten gekommen, hat das Opfer vor Gericht ausgesagt. Weder das Opfer noch sein Feund sind homosexuell.

Der Mitangeklagte, Daniel G., fragte den Freund des Opfers beim Abschied nach dessen Handy-Nummer. Minuten später bekam der eine SMS: Aus Versehen habe er, Daniel G., den lila farbenen Rucksack mitgenommen. Daraufhin trafen sich die vier erneut, um den Rucksack zurückzugeben. Noch einmal wurde Bier getrunken, man zog weiter in die nahe gelegene Wohnung des Angeklagten Frank S.. Der Freund des Opfers ging schließlich.

Als der 20-Jährige sich kurze Zeit später dann auch verabschieden wollte, bekam er von Daniel G. eine geöffnete Flasche Bier überreicht, die er noch austrinken solle – darin, so die Staatsanwaltschaft, war wohl die Überdosis K.-o.-Tropfen. Er habe einen Schluck getrunken, das Bier habe scheußlich geschmeckt, „und dann war bei mir das Licht aus“, beschreibt er die Wirkung des Getränkes. Er wachte im Krankenhaus wieder auf.

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1 Kommentar

 / 
  • S
    SFD

    Und wozu genau ist wichtig, unter "übrigens" anzugeben, ob das Opfer selbst homosexuell ist? Wäre die Tat dann weniger verwerflich? Wofür ist das relevant?