Angehörige erkennen Jugendlichen: Aus Holland statt aus dem Wald
Freunde und Angehörige sollen den Jugendlichen erkannt haben, der angeblich jahrelang in Wäldern lebte. Die Geschichte ist wohl ausgedacht. Nun droht ihm eine Anzeige.
BERLIN dapd | Seine Geschichte klang unglaublich. Fünf Jahre lang soll der Junge aus dem Wald in Zelten und Höhlen geschlafen haben - bis er vor neun Monaten plötzlich vor dem Roten Rathaus in Berlin stand. Seither rätselte die Polizei: Wer ist der junge Mann, der sich selbst Ray nennt? Das Rätsel könnte nun gelöst sein. Der junge Mann kommt offenbar aus Holland. Er soll Robin heißen.
„Wir gehen einem vielversprechenden Hinweis nach“, sagte ein Sprecher der Berliner Polizei. Wie die Zeitung Die Welt in ihrer Freitagausgabe schreibt, handelt es sich bei dem jungen Mann um einen Jugendlichen aus Hengelo, einer Stadt an der Grenze zu Deutschland. „Wir sind uns hundert Prozent sicher, dass es sich um den 20-jährigen Jungen handelt, da seine Stiefmutter ihn eindeutig erkannt hat“, zitiert das Blatt eine Polizeisprecherin aus der Stadt.
Den Angaben zufolge sollen die Ermittler bereits Kontakt mit seiner Familie und Bekannten aufgenommen haben. „Ein Foto, worauf man ihn sah mit Halskette und seinem Namen darauf, lieferte den Beweis“, fügte die Sprecherin hinzu. Wie der niederländische Fernsehsender NOS berichtet, haben Schulfreunde und Angehörige den jungen Mann identifiziert, nachdem die Berliner Polizei in dieser Woche Fotos von ihm veröffentlicht hatte.
Polizei und Jugendamt zweifelten seit Längerem am Wahrheitsgehalt der abenteuerlichen Aussagen. Mit seinem Vater soll der „Waldjunge“ jahrelang durch die Natur gezogen sein. Wenige Wochen vor seinem Eintreffen in Berlin sei der Vater tödlich gestürzt. Ihn soll er im Wald in einer Grube unter Steinen beerdigt haben. Die Leiche wurde bislang nicht gefunden.
Betreutes Wohnen in Berlin
Zu den Hintergründen oder Ursachen des Todes machte der blonde, athletische Junge, der von sich behauptete, er sei 17 Jahre alt, keine Angaben. Seine Mutter sei vor fünf Jahren bei einem Autounfall gestorben, erzählte er. Mit Karte und Kompass sei er schließlich nach Norden gezogen und in Berlin gelandet. Nach seiner Ankunft in Berlin war er zunächst bei einem Jugendnotdienst untergebracht, später in einer Einrichtung für Betreutes Wohnen.
Das Jugendamt Tempelhof-Schöneberg hat dem Jugendlichen wegen seines Alters einen Vormund bestellt. Nach den Worten eines Behördensprechers wollte er keinen Kontakt zu Medienvertretern. Da er angab, noch nicht volljährig zu sein, hatte das Jugendamt seinen Wunsch respektiert.
Nächste Woche sollte der „Waldjunge“ 18 Jahre alt werden. Das Jugendamt wollte dazu eine Pressekonferenz veranstalten, auf der er seine außergewöhnliche Geschichte erzählen sollte. Er lehnte jedoch ab, wie der Sprecher sich erinnert.
Nach Angaben der Polizei in Hengelo wurde der junge Mann zuletzt am 2. September vergangenen Jahres in seiner Heimatstadt gesehen. „Ich weiß ganz sicher, dass das Robin ist“, zitierte der Fernsehsender NOS einen Schulfreund. „Er hatte persönliche Probleme und das war seien Art, ein neues Leben anzufangen.“
Vorsätzlich zum Narren gehalten
Sollte er wirklich volljährig sein, wie die niederländische Polizei sagt, dann könnte der „Waldjunge“ unter anderem wegen Erschleichens von Jugendhilfeleistungen angezeigt werden. Das Jugendamt hatte sich um Verpflegung und Unterbringung gekümmert.
Wie Die Welt weiter schreibt, drohen dem Jugendlichen auch für den Fall Konsequenzen, dass er die Geschichte erfunden hat. „Das ist kein Spaß mehr“, sagte Polizeisprecher Michael Maaß. „Dann hat er uns vorsätzlich zum Narren gehalten. Eventuelle Kosten würden dann auf ihn zukommen.“
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