Angeblicher Plan zum Sturz Kaczynskis: Politische Intrige amüsiert Polen
Ein angeblicher Geheimplan der regierenden Bürgerplattform zum Sturz von Präsident Lech Kaczynski sorgt in Polen für ein kleines Sommertheater. Mit echt finsteren Absichten.
WARSCHAU taz Die Warschauer Gerüchteküche brodelt: Angeblich plant die liberal-konservative Regierung unter Donald Tusk plane ein Amtsenthebungsverfahren, um Polens Präsidenten Lech Kaczynski abzusetzen. Die in der Regierung federführende Bürgerplattform (PO) habe einen Geheimplan vorbereitet, der nun umgesetzt werden solle. Denn der Präsident, so der angebliche Vorwurf, habe nun schon das vierte Reformgesetz in Folge mit seinem Veto gekippt. Damit torpediere er jede sinnvolle Regierungspolitik und verletze seine Pflichten als Staatspräsident.
Tatsächlich kann der Präsident laut polnischer Verfassung abberufen werden, wenn er gesundheitlich nicht in der Lage ist, das Amt weiterzuführen oder wenn er gegen geltendes Recht verstoßen hat. Doch dafür fehlen bislang die Beweise. Zwar klagt Kaczynski häufig über Verdauungsprobleme und ließ aus diesem Grund auch schon den einen oder anderen politischen Termin platzen. Doch ernsthaft würde niemand behaupten, dass er zu krank und daher amtsunfähig wäre. Auch die Blockadehaltung des Präsidenten gegen die Reformgesetze der Regierung ist zwar lästig, stellt aber keinen Verfassungsbruch dar. Ähnliches gilt für die recht eigenwillige Außenpolitik des Präsidenten. Die Regierung nimmt sie zwar als Störfaktor in den internationalen Beziehungen Polens wahr. Doch die Verfassung ist auch hier auf Kaczynskis Seite. Die dort vorgesehene Kompetenz-Aufteilung zwischen Präsident und Außenminister lässt einen gewissen Interpretationsspielraum zu. Kaczynski legt die Verfassung maximal zu seinem Gunsten aus und stellt damit die Machtfrage zwischen Präsident und Regierung. Das aber ist kein Grund zur Amtsenthebung.
Den Geheimplan zur Absetzung Kaczynskis, so behauptete Fernsehchef Andrzej Urbanski und enger Vertrauter des Präsidenten, habe die heute regierende Bürgerplattform (PO) schon vor zwei Jahren ausgearbeitet. Nachdem die PO die Existenz eines Geheimplanes entschieden dementierte, griff der Präsident höchstpersönlich ein. Auch er habe Kenntnis von diesem Regierungsplan, erklärte er im staatlichen Rundfunk. Urheber des Plans sei Jacek Rostowski, der heutige Finanzminister. Der Plan besage, er, Kaczynski, sei die "Hauptgefahr für die Bürgerplattform". Der Name Rostowski weckte allerdings erste Zweifel. Das Feuer in der Warschauer Gerüchteküche wurde vorsichtig auf kleine Flamme gestellt. Denn Polens aktueller Finanzminister gilt eher als umgänglicher Typ, dem sogar mitunter "fehlender Biss" vorgeworfen wird. Und ausgerechnet dieser gemütliche Bär sollte einen Geheimplan zur Absetzung des Präsidenten ausgearbeitet haben?
Im Mai 2005 hatte der Wirtschaftsprofessor Rostowski in der Zeitschrift "Ozon" eine Analyse über den möglichen Wahlausgang veröffentlicht und dabei Präsident Kaczynski als größtes Problem einer künftigen PO-Regierung diagnostiziert. Da Rostowski davon ausging, dass Kaczynski zu keiner Zusammenarbeit mit der PO bereit sein würde, sah er im Rücktritt des Präsidenten eine mögliche Lösung des Konflikts.
Polens Premier Donald Tusk nahm endgültig die Luft aus dem Ballon. "Herr Präsident, Sie können ruhig schlafen!", versicherte er seinem Widersacher. "Die Bürgerplattform hegt keinerlei blutrünstigen Absichten gegen Sie." Es sei reine Zeitverschwendung, sich über dermaßen realitätsferne Spekulationen den Kopf zu zerbrechen. Die Impeachment-Gerüchte, die Fernsehchef Andrzej Urbanski in die Welt gesetzt hätte, kämen dem sagenhaften Ungeheuer von Loch Ness gleich. Beide tauchten in der parlamentarischen Sommerpause immer wieder auf.
Doch der bereits vor zwei Jahren veröffentliche "Geheimplan" zeigte dennoch Wirkung. Die ohnehin schon extrem negativen Umfragewerte für den polnischen Präsidenten fielen weiter. Als "schlecht" beurteilen aktuell über 60 Prozent der Wähler die Amtsführung Präsident Kaczynskis, so viel wie nie zuvor. Doch die nächste Präsidentschaftswahl steht erst im Frühjahr 2010 an. GABRIELE LESSER
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