Angeblich mehr Akademikerkinder: Schröders Traum vom Kinde
Eine Politikerin wollte eine schöne Meldung: Hurra, die studierten Frauen kriegen wieder mehr Kinder. Nur leider lässt sich das so einfach gar nicht sagen.
![](https://taz.de/picture/193100/14/Akadem.jpg)
Da hatte die Familienministerin Kristina Schröder (CDU) eine Idee.
Das kann so nicht weitergehen, befand sie. Andauernd vermeldet das Statistische Bundesamt in Wiesbaden, dass die Frauen in Deutschland schon wieder weniger Kinder bekommen. Trotz Schröder und ihrer Familienpolitik! Bevor also die Bundesamts-Statistiker am Donnerstag ihre Hiobsbotschaft raushauten – weniger Kinder –, platzierte die Ministerin tags zuvor eine viel bessere, viel neuere Nachricht. Sie sollte den Donnerstag quasi überstrahlen. Nämlich: Die studierten deutschen Frauen bekommen wieder mehr Kinder. Die studierten, wohlgemerkt.
Man achte auf den Unterschied: Zwar sank die Geburtenziffer 2012 wieder auf 1,36 Kinder pro Frau (von 1,39 im Jahr 2010). Aber das Ergebnis der Studie, die Schröder beim Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Auftrag gegeben hatte, lautete eindeutig: Die Akademikerinnen jedenfalls sind aus dem Tief heraus. Die als besonders gebärfeindlich bekannten Hochschulabsolventinnen-West haben die Talsohle durchschritten.
Denn, so ermittelte Bevölkerungsforscher Martin Bujard: Eine durchschnittliche Akademikerin über 34 Jahren bekam noch 2005 im Lauf ihres Lebens nur 1,24 Kinder. Im Jahr 2011 lag dieser Wert bei 1,34 Kindern. Das ist ein klarer Anstieg, der einem mehrjährigen Trend entsprach, behauptete Bujard und folgerte, der Geburtenrückgang bei den studierten West-Frauen (die Ost-Akademikerinnen sind seit je gebärfreudiger) sei gestoppt.
Kind ist nicht gleich Kind
Prompt verkündete Kristina Schröder, dass insbesondere das Elterngeld wirke, das Berufstätige rund ein Jahr lang als staatliche Lohnersatzleistung bekommen, um das Verdienstloch nach der Geburt zu füllen. Schließlich – das sagen SPD- wie Grünen- und Unions-PolitikerInnen nur nie so deutlich dazu – war das Elterngeld 2007 eigens eingeführt worden, um den Anteil der Akademikerkinder gegenüber den weniger akademisch geborenen Kindern zu erhöhen. Dem Staat ist halt nicht jedes Kind gleich viel wert.
Das Problem an dieser Art demografischer Politik ist freilich: Die Zahlen sind allzu schwach. Denn für sein optimistisch-nützliches Ergebnis hat Bujard die Zahlen des Mikrozensus verwendet. Der Mikrozensus ist eine zweijährliche repräsentative Befragung der Haushalte, eine kleine Volkszählung. Der Mikrozensus erhebt aber seit je nur die Kinder pro Haushalt, nicht aber die von einer Frau insgesamt geborenen Kinder. Ausgezogene Kinder, grad bei Oma urlaubende Kinder oder sonst wie abwesende werden nicht erfasst. Auch die noch nicht geborenen.
Dass sich auf solch dünner Datenbasis kaum Aussagen über Kinderhaben und Kinderlosigkeit fällen lassen, wurde vor Jahren erkannt. Doch die Mühlen der Statistiker mahlen langsam, eine Korrektur des Mikrozensus fiel mau aus. Und erst der im kommenden Jahr veröffentlichte Mikrozensus von 2012 wird die Frage nach den tatsächlich geborenen Kindern pro Frau ordentlich erheben.
Warten auf 2028
Bis dahin aber wird die Gemeinde der Demografie-Interessierten abwarten müssen. Denn nach wie vor ist die Neigung zur späten Geburt nicht ausreichend statistisch erfasst. Wir wissen noch nicht, ob all die neuen Spätgebärerinnen auch mit 43 noch ein zweites Kind bekommen oder ob es bei einem bleibt.
Das heißt: Ob sich am Gebärverhalten der akademischen Frauen durch Politik oder Wirtschaft aktuell etwas ändert – sei es dank Elterngeld, sei es dank Wirtschaftsboom oder dank neuer männlicher Neigung zum Wäscheaufhängen –, ist erst ermittelbar, wenn die 1970er-Jahrgänge mit Kinderkriegen fertig sind. Im Jahr 2028 ungefähr. Nur nützt das alles Kristina Schröder natürlich nichts mehr.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!