piwik no script img

Andreas Speit Der rechte RandWie extrem auch der neue Chefredakteur der „Zuerst!“ ist

Mit der sogenannten deutschen Gemütlichkeit kennt sich Andreas Karsten aus. Der neue Chef der Zuerst! Deutsches Nachrichtenmagazin kommt aus den rechtsextremen Burschenschaften „Hamburg Germania“ und „Halle-Leobener Burschenschaft Germania“, kennt deren bierselige Trinkkultur. Deutschen gönnt er, auch mal über die Stränge zu schlagen: In der aktuellen Ausgabe des Magazin schreibt Karsten, „die Silvesternacht ist traditionell eine ausgelassene Zeit, an der selbst die biedersten Büroangestellten es sich zu gestehen, auch mal ein Glas mehr zu trinken“. Und weiter: „Schon immer gab es auch diejenigen, die an diesen Tage über die Stränge schlagen. Gewiß ärgerlich, aber gesellschaftlich verkraftbar“, so Karsten, der in Halle zur Identitären Bewegung (IB) gehörte.

Angriff in der Straßenbahn

Angesichts dieser Vita und des politischen Profils des Magazins überrascht es nicht, dass Karsten im Editorial zu den Ausschreitungen in Berlin weiter schreibt, dass „mit der Entstehung eines multiethnischen Schmelztiegels“ der Jahreswechsel „immer öfters zur sozialen Kernschmelze“ gerate. Die „männlichen Migranten“ ließen „ihren gewalttätigen Trieben freien Lauf“. An die rassistischen Zuschreibungen in Richtung eines „männlichen Migrationsmobs“ schließt sich die Behauptung an, in Berlin setze kaum ein „Jugendrichter“ wegen „des politischen Druckes“ gegenüber „kriminellen Migranten“ „geltendes Recht“ durch oder spreche gar „harte Urteile“, so Karsten.

Vor Kurzem hat Karsten den Chefredakteursposten bei dem Magazin im Verlag Lesen & Schenken GmbH aus Martensrade nahe Kiel übernommen. Vor 14 Jahren erschien das über 80 Seiten starke Magazin erstmals, im Verlagsnetzwerk um Dietmar Munier, der bei einer Sonnenwendfeier mal den mittlerweile verstorbenen Holocaustleugner Ernst Zündel empfing. Vakant geworden war der Posten nach dem überraschenden Tod von Manuel Ochsenreiter. Der erste Chefredakteur des Magazins unterhielt beste Kontakte nach Russland. Im Bundestag war er auch für die AfD tätig, nutzte für die Partei seine Ost-Kontakte, bis er wegen des Verdachts auf Anstiftung zum Brandanschlag auf ein Kulturzentrum im ukrainischen Uschgorod nach Russland ging. In Moskau starb er 2021 an einem Herzinfarkt.

Mit Karsten teilt Ochsenreiter nicht bloß politische Positionen, beide schrieben zudem für die Zeitschrift Sezessionaus dem Netzwerk des Instituts für Staatspolitik um Götz Kubitschek. Als Schriftleiter der Burschenschaftlichen Blätterdürfte Karsten redaktionelle Erfahrungen gesammelt haben. In Halle studierte der 31-Jährige Soziologie und war im Haus-Projekt der IB aktiv. 2017 gehörte er zu einer IB-Gruppe, die bewaffnet Studierende in der Harzmensa bedrohte, zudem griff er einen Studierenden in der Straßenbahn an.

Jungsfoto: dpa

Andreas Speitarbeitet als freier Jour­nalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

In seiner neuen Rolle referierte er in Kiel am 28. Januar bei der AfD-Jugend zur „Energiekrise“. Auch in der aktuellen Zuerst! könnten Inhalte des Referats auftauchen: In der Titelgeschichte wird gewarnt: „Kommt die Öko-Diktatur?“ Und bekannte Frauen der „Klimafanatiker“ und „Autohasser“ werden angefeindet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen