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Andreas Speit Der rechte RandWarum die Reichsbürger so gefährlich sind

Foto: Jungsfoto: dpa

Die Zahl der Anhänger einer Reichs- oder Selbstverwalteridee steigt im hohen Norden stetig. Von etwas über 300 Personen gehe das Landesinnenministerium aus, sagt Lasse Pettersdotter, Landtagsabgeordneter der Grünen in Kiel. Im November gab das Ministerium noch an, in Schleswig-Holstein von 288 Reichsbürgern und Selbstverwaltern auszugehen.

Im Rahmen einer Podiumsveranstaltung von Bündnis 90/Die Grünen in Mölln zweifelte Pettersdotter am vergangenen Montag die Aussagekraft der Zahl an. Ein Grund: In dem Bundesland haben 712 Personen einen „Staatsangehörigkeitsausweis“ beantragt. Den sogenannten Gelben Schein verlangen gerade Anhänger aus dieser sehr heterogenen Szene, um keine anderen Identitätsausweise der Bundesrepu­blik haben zu müssen, deren Rechtszuständigkeit sie anzweifeln.

Die Unterschiedlichkeit der Zahlen zeige, wie schwierig es sei, diejenigen zu erfassen, die der Idee anhängen, dass entweder das Deutsche Reich noch bestehe oder die Bundesrepublik kein souveräner Staat sei, sagt Pettersdotter. Nicht alle Anhänger outen sich selbst durch ein entsprechendes Auftreten bei Verwaltung, Justiz und Polizei, deren Legitimität sie in langen Darlegungen anzweifeln.

Diesen Teil des politischen Spektrums haben die Sicherheitsbehörden nicht bloß in Kiel unter „Spinner“ rubriziert. Am 19. Oktober 2016 änderte sich die Sichtweise des Staatsapparates. An jenem Tag erschoss im bayerischen Georgensgmünd der Reichsideeanhänger Wolfgang Plan aus einem Hinterhalt einen Polizisten. In dem Jahr zählte das Ministerium in Kiel noch 54 Szeneanhänger , 2017 schon 230.

Boomt die Idee, dass der Staat kein Staat sei und eigene Gemeinden, Reiche und Königtümer ausgerufen werden könnten? Die Podiumsteilnehmer im Regionalbüro des Grünen Landtagsabgeordneten Burkhard Peters sind vorsichtig mit der Bewertung. Peters betont, dass mit dem genaueren Hinschauen der Behörden nun eben auch mehr „Reichsbürger“ erkannt würden. Er sagt aber auch, dass mancher sich gerne mit der Behauptung, der Staat habe keine Rechtsgrundlage, vor Steuer- und Gebührenzahlungen drücken möchte.

Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Im Kreis Ostholstein gebe es die meisten Anhänger, gefolgt von Rendsburg-Eckernförde. Die Einschätzung des Ministeriums, dass zwölf Reichsbewegte Verbindungen zu rechtsextremen Gruppen hätten, zweifelten alle Podiumsteilnehmer an. Diese Zahl dürfte höher sein, meinte nicht bloß Pettersdotter. Die gestiegene Aggressivität in der Szene dürfe zudem nicht unterschätzt werden. „Die Gefahr liegt in der Unberechenbarkeit“, warnt Pettersdotter.

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