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Andreas Speit Der rechte RandWorte desWiderstands für NS-Verbrecher

Die Todesanzeigen stehen im Stader Tageblatt auf Seite 23. Auf der Seite der „Familienanzeigen“ vom 31. Juli wird gleich zweimal dem Leben von Alfred Lühmann gedacht: Die Familie hat in Gedenken an den am 23. Juli Verstorbenen eine Anzeige geschaltet, sowie auch der „Club der Agrarpensionisten“. Sie danken dem Vater, Schwiegervater, Opa und Club-Freund.

Lühmann war auch Angehöriger der Fallschirm-Panzer-Division „Herman Göring“, vor sieben Jahren hatte das Militärgericht in Verona ihn in Abwesenheit zu zweimal lebenslanger Haft und Entschädigungszahlungen verurteilt. Eine Todesanzeige mag nun vielleicht nicht der Platz sein, an dem auf die Beteiligung an einem Massaker von rund 400 Männern, Frauen und Kindern in der Nähe des norditalienischen Monte Falterona im Jahr 1944 hingewiesen wird. Der Familie kann man es in ihrem Schmerz eventuell nicht zumuten, dieses Schuldeingeständnis zu machen. Den Angehörigen der Opfer mutet die Familie mit der Anzeige allerdings einiges zu. Denn sie hat zum Gedenken an den NS-Kriegsverbrecher die Worte des NS-Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer ausgewählt: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss ab jedem neuen Tag“. Diese Zeilen hatte Bonhoeffer vor seiner Hinrichtung am 9. April 1945 in der Gestapo-Haft verfasst.

In der niedersächsischen Gemeinde und in der norditalienischen Region löste das Zitat in dem neuen Kontext Befremden und Betroffenheit aus. Michael Quelle, aktiv bei der Linkspartei in Stade, sagt dazu: „Der Bezug ist empörend“. Seit Jahrzehnten setzt er sich zusammen mit Angehörigen der Opfer von Massakern in Italien für die Aufarbeitung ein. Auch Matthias Durchfeld, Mitarbeiter des Institut für die Geschichte des Widerstands in der norditalienischen Reggio Emilia, sagt: „Die Angehörigen der Opfer sind konsterniert.“ Auch die Ehrung durch den Club sei unpassend.

Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland

Mit einer kritischen Formulierung hätte der Club den Umgang mit den Verbrechen des Nationalsozialismus selbst reflektieren können. Doch reflektieren, gar hinterfragen, wollte sich Lühmann selbst in der Öffentlichkeit auch nicht. Der mit 93 Jahren Verstorbene sagte vor einigen Jahren, er sei sich „keiner Schuld bewusst“ und schob nach, andernfalls hätte er nicht mehrfach mit seiner Frau Urlaub in Italien gemacht. Dem Stader Tageblatt empfahl er bei der Gelegenheit sogleich, über die von den Briten 1945 mit knapp 5.000 KZ-Häftlingen versenkte Cap Arcona zu berichten.

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