Andreas Rüttenauer Kulturbeutel: Auf der Suche nach dem Herz des Fußballs
Es ist eine Frage, über die sich trefflich streiten lässt: Wo schlägt es denn nun, das Herz des Fußballs? In den Kurven, wo nimmermüde Ultras ihre Liebe zum Verein aus rauen Hälsen Richtung Spielfeld schmettern? Im elterlichen Wohnzimmer, wo der Vater seinem Sohn einen Ball vor die Füße rollen lässt, sobald der Zwerg den ersten Schritt getan hat? In der Kreisliga, wo sich auch nicht mehr ganz so sportliche Männer fühlen dürfen wie die Größten, wenn sie einen Ball ins Tor geschossen haben? Beim FC Bayern München, der schon wieder deutscher Meister wird?
Oder gar bei Rasenballsport Leipzig, weil sich Deutschlands einst liebster Fußballmensch seine Zähne jetzt für den Dosenklub bleicht? In Argentinien, wo es immer noch Menschen geben soll, die weinen müssen, wenn der Name Maradona fällt? Oder auf Schalke, auch wenn bald niemand mehr leben dürfte, der den Kreisel gesehen hat? In der Brust von Matthias Sammer, weil niemand inbrünstiger so banal über Fußball klugschwätzen kann? Ja, überall da und an noch viel mehr Orten wird Herzblut in den Fußball investiert.
Auch weil das so ist, weil sich die Organisatoren des Sports sicher sein können, dass die Liebe der Leute zum Fußball schier grenzenlos ist, wird jede Menge Geld investiert. Gesprochen wird darüber an Orten, zu denen der gemeine Fußballmensch nie Zutritt haben wird – auf dem Future Investment Initiative Priority Summit zum Beispiel. Zu dem hatte das Königreich Saudi-Arabien Ende Februar nach Miami geladen, der Gastgeber der Männerfußball-WM 2034. „Wem gehört der Ozean?“, war eine der Fragen, die unter Berücksichtigung des Aspekts der Rohstoffausbeutung diskutiert wurde. Künstliche Intelligenz war ein wichtiges Thema und um „Longevity“ ist es gegangen, das Investment in besonders langes Leben. 45 Milliarden „high-quality years“ bis 2030 erwarten Analysten hier, mithin ein Bombengeschäft.
Kein Wunder also, dass US-Präsident Donald Trump persönlich das Summit eröffnet hat. Und siehe da! Gianni Infantino, der Präsident des Internationalen Fußballverbands, der schon bei der Amtseinführung Trumps zwar in hinterer Reihe, aber immerhin dabei sein durfte, war auch dieses Mal dabei. Über den grünen Klee wurde er von Trump gelobt für seine gute Arbeit, schließlich habe er die WM in die USA geholt. Dass das Turnier mit Mexiko und Kanada zwei weitere Gastgeber hat, die Trump gerade mit Zöllen zu erpressen versucht, das blieb unerwähnt. „Sie sind der König des Fußballs“, rief Trump Infantino zu, der sich mit kleinen Verbeugungen artig bedankte. „Glückwunsch, Herr Präsident“, schrieb er kurz darauf auf Instagram, „zu ihrer Rede, die Frieden und Einheit ins Zentrum aller Dinge gerückt hat.“
Und flugs hat er versprochen, dass der Name des US-Präsidenten auf den Ball gedruckt werden soll, mit dem beim Eröffnungsspiel der Klub-WM im Sommer gekickt werden soll. Ein Panel bei diesem Future Investment Initiative Priority Summit stand übrigens unter der Leitfrage: „Verschiebt sich der Schwerpunkt des Sports nach Saudi-Arabien?“ Und das Herz des Fußballs, verschiebt sich das auch an den Golf? Gianni Infantino würde das wahrscheinlich bejahen. Für Trump schlägt das Soccerherz natürlich in den USA. Und für den unverbesserlichen Fan des TSV München 1860, der diese Zeilen schreibt? Für den schlägt das Herz des Fußballs in der Grünwalder Straße. Trotz alledem.
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