Andreas Rüttenauer Kulturbeutel: Fankultur stirbt im Fanshop
Mit dieser Mütze wirst du unbesiegbar sein und dein Kopf wird dir in entscheidenden Momenten weiterhelfen.“ Mit diesem Satz macht der russische Erstligist FK Rostow Reklame für ein neues Produkt in seinem Fanshop. Es handelt sich dabei um eine blaue Badekappe. Eine Badekappe? Eine solche trug der usbekische Stürmer Eldor Schomurodow, als er kurz vor Ende der Partie gegen FK Krasnodar zum 1:1 für Rostow getroffen hat. Kurz zuvor war er mit einem Gegenspieler zusammengeprallt, musste wegen einer Platzwunde am Kopf behandelt werden und bekam statt eines Verbands eine Bademütze aufgesetzt. Mit der köpfte er dann prompt ins Tor. Ein paar Stunden später wurde schon Werbung gemacht für den neuen Fanartikel – eine blaue Badekappe mit Vereinslogo vorne drauf, Schomurodows Nummer 14 an der Seite.
Schnell laufen sie die Geschäfte. So ist das eben im modernen Fußball. Noch bevor das Team des 1. FC Köln von der Auswärtsfahrt in Fürth, wo sie den Wiederaufstieg in die erste Bundesliga sichergestellt hat, zurück war, konnte man schon Fanartikel bestellen. Schals, Tassen und T-Shirts mit dem offiziellen Aufstiegsslogan „Widder do!“ Wie praktisch! Das alles ist so schnell designt, dass es aussieht, als hätte ein Fan im Aufstiegsvollrausch die Optik entwickelt. Doch in Wahrheit ist die Kreativität der Fans gar nicht erwünscht. Mit der lässt sich schließlich kein Geld verdienen.
Es ist sicher gut gemeint und mag drollig aussehen, wenn sich die Fanklubs die Mühe machen, T-Shirts für ihre Mitglieder zu designen. Das wissen auch die Manager in den Merchandisingabteilungen der Profiklubs. Und so dulden sie es im Normalfall, dass sich diese kreativen Fußballanhänger das Logo ihres Herzensklubs auf ihre selbst entworfenen Fanshirts drucken, auch wenn die längst markenrechtlich geschützt sind. Bei einem Klub ist das nun anders. Aber bei dem ist eigentlich selten irgendetwas normal.
Fanklubs des einst ruhm- und glorreichen TSV München von 1860, derzeit im Abstiegskampf der dritten Liga befindlich, staunten nicht schlecht, als sie Anwaltspost erhielten, in denen ihnen die Verwendung des Vereinslogos für ihre Fanshirts untersagt wurde. Ein Fanklub aus Schwaben soll ein Abmahnschreiben nebst Gebührenrechnung über 1.500 Euro erhalten haben, in dem den Anhängern die „Verwendung der Wortmarke ,TSV 1860 München' und der Wort-Bildmarke ,Emblem'“ untersagt wird. Der Fanklub hatte einen Schal für seine Mitglieder entwickelt und zum Selbstkostenpreis vertickt.
1860 München mahnteigene Anhänger ab
Das geht so nicht, meint der Rechteinhaber, die TSV 1860 Merchandising GmbH, die weder dem Profiklub gehört noch dem eingetragenen Turn- und Sportverein, sondern dem sogenannten Bagatellscheich der Löwen, Hasan Ismaik. Der Jordanier, der viel Geld in den TSV gesteckt hat und trotzdem noch nicht mit dem Klub machen kann, was er will, hatte sich wohl beleidigt gefühlt, nachdem die tapfere Fanvereinigung „Löwenfans gegen Rechts“ ein T-Shirt verticken wollte, auf dem stand. „Verdammt ich lieb dich, ich lieb dich nicht“. Das Kleidungsstück war versehen mit einem Logo des Klubs aus dem Jahre 1973 und einem durchgestrichenen Konterfei des verhassten Ismaik.
Der Kniff mit den Abmahnungen kam dann Ismaiks München Ausputzer, Anthony Power, dem Chef der Merchandising GmbH. Der hat als Ismaiks Aufpasser im Klub schon einmal Angst und Schrecken auf der Geschäftsstelle verbreitet. Weil den eh keiner leiden kann, eignet er sich bestens als Mann fürs Grobe. Auch deshalb wundert es niemanden, dass Ismaik ihn auf die Fans loslässt.
Das mag eine typische Sechz’ger-Geschichte sein. Sie zeigt aber auch, welche Hebel ein Klub ansetzten kann, wenn ihm nicht passt, was in der Kurve passiert. Am Ende steht dem Klub der Kunde eben doch näher, als der Fan, der seine T-Shirts selbst entwirft. Die Fankultur stirbt dann im Fanshop.
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