Andreas Rüttenauer Kulturbeutel: Geschichtsbewusstsein für wahre Basketballfans präsentiert von Nike
Ob jemand wohl glücklich geworden ist mit der Oktoberfest-Kollektion, die der TSV 1860 München im Herbst seiner letzten Zweitligasaison für knapp 100 Euro verkauft hat? Die Spieler hat das Wiesn-Trikot jedenfalls nicht besser gemacht. Sie haben keines ihrer fünf Zweitligaspiele, die sie im Trachtenoutfit bestritten haben, gewinnen können.
Auch in Düsseldorf könnte man sich fragen, ob es am ungewohnten Karnevalstrikot lag, dass die Fortuna Mitte November ihr Zweitligaspiel gegen Ingolstadt mit 0:1 verloren hat. Als Hommage an den Ur-Schelm Hoppeditz, als Zeichen der engen Verbundenheit des Klubs mit der Stadt, als „Liebeserklärung an das närrische Düsseldorf“ wurde das Leibchen gefeiert, als es präsentiert wurde. Das übliche Blabla eben mit einem Dankeschön an den Ausrüster Uhlsport, der bei der Narretei so schön mitgespielt hat, ganz so als wären die heimattümelnden Trikots etwas anderes als eine Geschäftsidee.
Heimatbesoffen kommt auch die neue Kollektion der Basketballtrikots für die NBA in den USA daher. Die Hemdchen und Hosen kommen ebenso wie die speziell dazu angefertigte Werbelyrik aus dem Hause Nike. Kurz vor Jahreswechsel ist für alle Klubs eine „City Edition“ vorgestellt worden, die das „Ergebnis einer Suche nach einem einzigartigen Weg darstellt, das jedes Team und seine Stadt so darstellt, dass Vergangenheit und Gegenwart der Klubs respektiert werden, ohne die Orientierung auf die Zukunft zu vernachlässigen“. Wow! Wer zu Weihnachten ein vermeintlich aktuelles Trikot seines Lieblingsklubs geschenkt bekommen hat, dem wurde jedenfalls unmissverständlich klar gemacht, dass er von gestern ist.
Nike sagt, die neuen Trikots seien vor allem für die echten, wahren oder eingefleischten Fans gemacht, die alle 41 Spiele ihrer Herzensfranchise in der heimischen Halle verfolgen. Also her mit dem neuen Lakers-Trikot, das als Ehrerweisung für den nach der vergangenen Saison in Sportrente gegangenenen Überbasketballer Kobe Bryant, Spitzname Black Mamba, ein feines Schlangenhautmuster ganz in Schwarz aufweist! Und in den Warenkorb das neue Celtics-Outfit für Basketballnostalgiker mit grauem Holzparkettmuster und der Unterschrift des legendären Red Auerbach, der den Klub als Trainer in den 1950er und 60er Jahren zu neun Meisterschaften geführt hat! Und Freunde Brooklyns, holt euch das neue Nets-Hemd, dessen Design die Formen der legendären Brücke widerspiegelt, die jeder New-York-Reisende kennt!
Auch für Sportfans, die sich für die Geschichte der Bürgerrechtsbewegungen in den Staaten interessieren, gibt es ein schönes Stück Polyester zu kaufen. Die Memphis Grizzlies haben ein Outfit in einer Schwarz-Weiß-Optik im Angebot, das an die “I am a Man“-Schilder erinnern soll, die die Müllwerker 1968 durch die Stadt getragen haben, um gegen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen zu demonstrieren. Um die 100 Dollar kostet dieses Stück Geschichtsbewusstsein, präsentiert von Nike. Es soll sich ja lohnen.
Der Sportartikelhersteller hat sich für den kolportierten Preis von einer Milliarde US-Dollar das Recht gesichert, ab dieser Saison alle 30 Teams der Liga acht Jahre lang auszustatten. Schnell war klar, worauf es dem Sportartikelriesen, der Adidas als Ausrüster der NBA abgelöst hat, ankam.
Es geht darum, möglichst viele Trikots unter die Leute zu bringen. Früher gab es die meist weißen Heimtrikots und die Auswärtsleibchen in den Klubfarben. Jetzt gibt es „Icon“-, „Statement“-, „Association“- und eben jetzt die „City“-Trikots, was immer das auch genau bedeuten mag. Es ist jedenfalls dafür gesorgt, dass jeder Basketballfan das Gefühl hat, ihm fehle noch ein Trikot in der Sammlung. Die nächste Edition kommt ganz bestimmt.
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